Stimmen vom Europäischen Sozialforum:

“Ein oder zwei zentrale Punkte herausgreifen”

Wir sprachen auf dem Europäischen Sozialforum in Florenz mit drei Teilnehmerinnen und Teilnehmern über ihre Eindrücke. Line Junkers ist Mitglied von ATTAC Dänemark, Angelo Zacceria ist in Mailand Mitglied von COBAS, der Koordination der Gewerkschaftlichen Bassiskommitees, und Erika Biehn ist Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft Sozialhillfeinitiativen (BAGSHI). (wop)

LinX: War das Sozial Forum ein Erfolg?

Line Junkers: Auf jeden Fall. Ich habe in den drei Tagen des Forums sehr viel dazu gelernt, obwohl ich schon alt und seit vielen Jahren politisch aktiv bin. Besonders interessant war für mich, mehr über Osteuropa zu erfahren. Ich wusste natürlich von dem Elend, aber man hört bei uns sehr wenig von den Menschen und Organisationen, die sich wehren. Für mich ist das eine wichtige Information, die ich mit nach Hause nehme und meinen Genossen und Freunden erzählen werde.
Eine andere Sache, die mich sehr beeindruckt hat, ist, wie viele Leute ihr Geld und ihre Zeit geopfert haben, um hierher zu kommen. In meiner Stadt, Odense, sind wir immer nur sehr wenige auf Veranstaltungen oder Aktionen. Aber wenn wir wissen, dass in vielen anderen Städten und Ländern Leute das gleiche machen, dann ist es für uns viel leichter. Natürlich sind wir uns nicht über alles einig, aber ich habe das Gefühl, dass wir in die gleiche Richtung gehen.

Angelo Zacceria: Ja und zwar in verschiedenerlei Hinsicht: Zum einen wegen der vielen Diskussionen und zum anderen natürlich vor allem wegen der vielen Menschen, die gekommen sind, sich hier kennenlernen und Kontakte knüpfen konnten.

Erika Biehn: Ja. Es gibt natürlich ein paar Sachen, die man verbessern kann, zum Beispiel was die Übersetzung angeht. Aber es war schon beeindruckend, wie viele Menschen gekommen sind. Das zeigt, dass eine solche Bewegung gebraucht wird. Ich war in mehreren Veranstaltungen, in denen deutlich wurde, dass es nicht nur bei uns, sondern europaweit Verschlechterungen für Sozialhilfebezieher und Arbeitslose gibt. Überall in Europa werden soziale Rechte und soziale Sicherheit abgebaut. Die prekäre Beschäftigung und die Arbeitslosigkeit nehmen überall zu. Dagegen sind Netzwerke im Entstehen, an denen ich gerne mitarbeiten würde, und insofern war Florenz ein Erfolg für mich. Es war einfach wichtig, einmal zu sehen, dass es anderswo ganz ähnliche Problem gibt und man sich gemeinsam dagegen wehren kann.

LinX: Was ist aus Ihrer Sicht die wichtigste Frage gewesen?

L.J.: Der Krieg. Denn wenn wir ihn nicht aufhalten können, wird die Welt sehr viel schlechter aussehen, wird es noch mehr Probleme geben, und wir werden es schwerer haben, für eine bessere Welt zu kämpfen.

E.B.: Für mich persönlich die Frage der Erwerbslosigkeit und sozialen Sicherheit. Aber auch der Krieg spielte immer wieder in den Diskussionen eine Rolle und der hängt natürlich mit der sozialen Sicherheit zusammen. Jedoch sind die anderen Themen nicht weniger wichtig gewesen, denn überall, wo ich in Diskussionsrunden geguckt habe, waren die Räume sehr voll.

A.Z.: Die Kriegsfrage. Ich denke, das ist eine Frage, in der sich alle Bewegungen einig sind. An diesem Punkt kommen wir zusammen, um gegen den Krieg zu kämpfen. Das andere sind die sozialen Frage wie, Gesundheit, Arbeit und Privatisierung.

LinX: Was kommt nach Florenz?

L.J.: Wir haben uns hier auf einen gemeinsamen Aktionstag gegen den Krieg geeinigt und wir werden unsere Freunde auf den anderen Kontinenten fragen, ob sie sich anschließen, damit es eine richtig große globale Aktion wird. Und für mich ist der nächste Schritt der EU-Gipfel in Kopenhagen vom 13. bis zum 15. Dezember. Wir wollen mit möglichst vielen Menschen gegen die Politik der EU-Staats- und Regierungschefs demonstrieren und würden gerne die gute Stimmung aus Florenz mit nach Kopenhagen nehmen. Obwohl nicht so viele Teilnehmer aus Dänemark hierhergekommen sind. Vielleicht 60.

A.Z.: Wir müssen jetzt sehen, wie wir die Ernte des Sozialforums einfahren, das heißt, wie wir die Netzwerke, die hier entstanden sind, nutzen. Am besten konzentrieren wir uns dabei auf zwei drei zentrale Punkte. Nicht mehr. Einer wird sicherlich der Kampf gegen den Krieg sein, ein anderer der Kampf gegen die Prekarisierung der Arbeit und ein dritter der Kampf gegen die Privatisierung der öffentlichen Dienste. Um diese Fragen könnten die Bewegungen, die ja sehr unterschiedlich sind, sich vereinen. Außerdem wird es ein Minimum an Organisierung brauchen. Ich denke, dass die Form des Netzwerkes die beste sein wird.