Kommentar

”Deutsche Wirtschaft”

Von ”Deutscher Wirtschaft” ist viel die Rede – besonders in deutschen Wirtschaften. Ob im Gaardener ”Der Haifisch”, im gegenüberliegenden ”SUBROSA” oder anderen Lokalitäten: In den (Standort-) Debatten im Lande reicht der politische Horizont oft nur bis zur gegenüberliegenden Straßenseite. Besonders wenn von amerikanischem Kapital in der ”Deutschen Wirtschaft” die Rede ist, macht sich breit sich eine gewisse Geschlossenheit aller als “Globalisierungsgegner”. Die Mär vom sozialeren heimischen Kapital(isten) pflegen selbst sich als Linke und Internationalisten verstehende Zeitgenossen.

”Deutsche Wirtschaft” – zwei Kieler Beispiele: Die HDW wurde vollständig von der europäischen Tochter OEP der Chicagoer Bank One übernommen. Obwohl der amerikanische Investor keines der seit Jahren in der ”Deutschen Wirtschaft” obligatorischen Opfer von der Belegschaft und den öffentlichen Haushalten forderte, war und ist die Aufregung groß. Bei HDM wandert  dagegen deutsches Kapital in die USA. Die Heidelberger Druckmaschinen AG wird mehrheitlich von der deutschen RWE gehalten, was einige Verschwörungstheoretiker nicht davon abhält amerikanische Machenschaften zu kolportieren. (Übrigens: Viele der größeren Kieler Metallbetriebe, in denen absehbar überhaupt noch etwas läuft, liegen in angloamerikanischer Hand: HDW, Caterpillar, Raytheon Marine, GKN, Stryker Trauma, Wölk-Contact-Linsen, THALES, ZÖLLNER, etc.)

Kiel steht auf – mit erhobenem Kopf wird unisono Reaktionärkompatibles vorgetragen: Unter www.kiel-steht-auf.de.vu ist viel die Schreibe von der bedrohten ”Deutschen Wirtschaft”,  ”unfähigen Managern und Politikern” bis hin zu ”amerikanischem Schrott” aus dortigen Fabriken. Die ”Standortkommandanten” der Gewerkschaften und bürgerlichen Parteien geben sich “globalisierungskritisch” auch besorgt um die ”Deutsche Wirtschaft”.

Was heute als ”Globalisierung” beklagt wird, ist eine über 100 Jahren als Imperialismus bekannte Entwicklung des Kapitalismus. ”Was tun?” titelte damals Lenin. Gute Frage! Unter den heutigen Bedingungen wäre eine branchen- und länderübergreifende Orientierung der Gewerkschaften auf den Schutz und Aufbau demokratischer und sozialer Rechte und der kollektiven Einkommenssicherung ein gangbarer Weg. Angefangen in der ”Deutschen Wirtschaft”, die es mit nichts und niemanden zu verteidigen gilt – auch nicht in betriebsyndikalistischen und nationalistischen ”Bündnissen für Arbeit”.

Nur gegen die ”Deutsche Wirtschaft” lässt sich beispielsweise gleicher Lohn für gleiche Arbeit (Leih/Zeitarbeit) oder die tarifliche Arbeitszeit durch- und umsetzen. Über 44 Stunden beträgt die reale Wochenarbeitszeit in Deutschland – mit steigender Tendenz.  35 – 38,5 Wochenstunden sind Tarif! Die Gewerkschaften und Betriebsräte könnten mehr machen – mit den Belegschaften gegen die Kapitalvertreter in der ”Deutschen Wirtschaft”.

W. Jard