Kommentar:

Umverteilen!

Man kann der Kieler Stadtverwaltung nicht vorwerfen, dass sie bau- und planungsmüde sei. Das Ostufer soll für eine neue Stadtautobahn umgepflügt werden, Holtenau eine Piste für Urlauber-Jets bekommen und in Russee soll auch noch der letzte Autofahrerer bequem in die Innenstadt rasen können. Das kostet Geld. Millionen, und zwar etliche. Bereits die Planung ist relativ aufwendig und kann schnell mal ein paar Hunderttausender verschlingen. Deshalb reagierte Bürgermeister und Chef-Betonierer Klein-Knott auch etwas einsilbig, als auf der letzten Ratssitzung Ratsfrau Jöhnk von den Grünen per kleiner Anfrage in Erfahrung bringen wollte, wieviel er denn in die Planung für die Russeer Rampe zu stecken gedenkt, die wahrscheinlich mangels Bundeszuschüssen nie gebaut werden wird.
Auf jeden Fall ist es Geld, dass an anderer Stelle fehlt. Das wäre schon in normalen Zeiten ärgerlich, doch angesichts chronischer Ebbe im Stadtsäckel und dem Damoklesschwert drastisch sinkender Steuereinnahmen, ist solch autobesessene Gigantomanie schlicht skandalös. Erst recht, wenn man mal einen Blick auf die drängenden Probleme dieser Stadt wirft, die im allgemeinen Getöse um Wettbewerb, Standort und sonstige gehirnerweichenden neoliberalen Sprechblasen für gewöhnlich untergehen.

Zum Beispiel die Kieler Schulen: Rotte Fenster, Dächer und Heizungen können nicht nur den Schülerinnen und Schülern die Lust am Lernen verderben (wenn das die Lehrer nicht schon geschafft haben), sondern sorgen auch für unnötige Heizkosten. 1999 wurde eine Priororitätenliste mit 250 Maßnahmen erstellt. 34,8 Millionen Euro sollte deren Abarbeitung kosten. Drei Jahre später hat man davon 8,5 Millionen Euro abgearbeitet, doch gleichzeitig wurden neue „prioritäre“ Schäden festgestellt, deren Behebung vier Millionen Euro kosten würde. Unterm Strich also 4,5 Millionen in drei Jahren. Bei dem Tempo würde es ungefähr 23 Jahre dauern, bis die Prioritätenliste abgearbeitet ist. Vorausgesetzt, der Sanierungsbedarf entwickelt sich im gleichbleibenden Tempo. Was allerdings unwahrscheinlich ist, da die vielen Bauten aus den 60ern in die Jahre kommen, und Schäden somit eher gehäuft auftreten werden.

Zum Vergleich: Allein der städtische Anteil am Ausbau des Flughafens Holtenau, zudem auch der künftige Oberbürgermeister Fenske wild entschlossen scheint, wird vermutlich 20 bis 30 Millionen Euro kosten. Genau dieser Zusammenhang ist übrigens auch im Frühjahr, als 4000 Startbahngegner durch die Innenstadt zogen, deutlich thematisiert worden. Aber offensichtlich muss der Ruf nach Umverteilen noch etwas lauter werden.

(wop)