Besetzte Marineschulen, blockierte McDonalds-Türen und rote Farbbeutel

Dänische Antikriegsbewegung: Die Hintermänner stoppen

Besetzte Marineschulen, blockierte McDonalds-Türen und rote Farbbeutel für den Staatsminister: in Dänemark richtet sich der Protest gegen den Irak-Krieg sowohl gegen Firmen und Konzerne, die vom Krieg profitieren, als auch gegen die Regierung, die mit einem eher symbolischen Kontingent von einem U-Boot und einigen Soldaten den US-amerikanischen und britischen Kameraden zur Seite steht.

“Er hat Blut an den Händen”, rief medienwirksam der junge Mann, dem es am 18. März gelungen war, sich in den Regierungssitz Christiansborg in Kopenhagen zu schleichen. Dort entleerte er eine Flasche mit roter Farbe über dem Staatsminister Anders Fogh Rasmussen, der gerade in einer Pressekonferenz die dänische Beteiligung am Irakkrieg erklärt hatte. Diese Aktion stand im Rahmen einer ganzen Kampagne, getragen von antikapitalistischen und anarchistischen Gruppen, die die dänische Kriegsbeteiligung und den Krieg an sich verurteilt und damit riesige mediale Aufmerksamkeit bekommt.

Bereits eine Woche zuvor hatten Gewerkschaften und linke Gruppen gemeinsam zu Protesten gegen das Auslaufen eines Kriegsschiffes in Korsör aufgerufen, der aber nicht wie geplant stattfinden konnte, da die Verantwortlichen das Schiff heimlich zwei Stunden früher hatten auslaufen lassen, ein Anzeichen für deren Furcht vor den Protesten, so die globalisierungskritische Gruppe “Globale Rödder”, die den Protest mit organisiert hatte.

Sie waren auch federführend bei den Aktionen am “Tag X”,dem Beginn des Krieges. Die ersten 24 Stunden danach wurden dazu genutzt, noch vor der großen Friedensdemonstration mit 10.000 TeilnehmerInnen am Abend in Kopenhagen möglichst deutlich zu machen, dass dieser Krieg nicht in ihrem Namen geführt wird und die Verantwortlichen zu benennen. Eine Flottenstation wurde von 50 Personen für zwei Stunden besetzt und zur “Peace Academy” umbenannt, und am Gebäude der US-amerikanischen Citybank in Zentrum Kopenhagen s wurde ein Transparent angebracht. Die Citybank besitzt 100% der Aktien eines Konzerns, der umfangreiche Investitionen in der Waffen- und Ölindustrie tätigt. “Wir wollten mit dieser Aktion den Zusammenhang zwischen Krieg und Kapitalismus verdeutlichen”, so die Presseerklärung der “Globale Rödder”. “Dies ist ein erstes Glied in der Kette eines unendlichen, globalen Krieges gegen die ärmsten Zivilbevölkerungen der Welt, und der Terrorismus wird sich in seinem Kielwasser vermehren.”

Ebenfalls unter dem Motto “Wir stoppen die Hintermänner des Krieges” organisierte die Anarkistiske Federationen (Anarchistische Föderation) am 27. März eine Blockadeaktion gegen das Warenlager der Supermarktkette Netto im Kopenhagener Vorort Ishöj. Die Kette gehört zum Mörsk-Konzern, der Schiffe an das US-amerikanische Heer vermietet sowie Computerprogramme und andere Teile von Waffensystemen liefert.

Der Widerstand gegen den Krieg wird aber nicht nur von linksradikalen Gruppen in der Hauptstadt getragen, auch in der Provinz finden vereinzelt Demonstrationen statt, beispielsweise SchülerInnendemonstrationen in Odense und Arhus. Von radikaleren Aktionsformen wie der Farbbeutelattacke grenzen sich bürgerlichere Kreise dann aber auch schnell ab: sämtliche, auch die linken Parteien, verurteilten die Aktion und bezeichneten sie als “schädlich für die Friedensbewegung”. Der Aktivist wurde mit einer 27tägigen Gefängnisstrafe bestraft, das Strafmaß liegt damit höher als bei einem Pflastersteinwurf auf einen Menschen.
Die Unterschiede zur deutschen Friedensbewegung liegen auf der Hand: plakative Parolen und Aktionsformen sind möglich, da linke Gruppen sich nicht, wie hierzulande, immer zunächst von dem scheinbaren Pazifismus der eigenen Regierung abgrenzen müssen. Zudem ist der Wille zum Konsens traditionell in Dänemark recht ausgeprägt, so dass Spaltungen zwischen verschiedenen linken Strömungen und Abgrenzungen untereinander keine so große Rolle spielen. Auch der Antiamerikanismus wird nicht so problematisiert wie in der deutschen Friedensbewegung.

Das macht den Widerstand phantasievoller und vielseitiger, ebenso wie das Bewusstsein, wahrgenommen zu werden. Denn im Gegensatz zu deutschen Medien, die am liebsten über Demonstrationen in Chicago oder Madrid berichten, räumen die dänischen den Protesten im eigenen Land viel Platz ein und dokumentieren auch regierungs- und kapitalismuskritische Äußerungen.

Wie unbeliebt aber ausländische Einmischung in die dänische Regierungskritik werden kann, zeigt die ungeschickte Äußerung des deutschen Dirigenten des dänischen Rundfunksinfonieorchesters Gerd Albrecht: Er wandte sich vor dem Donnerstagskonzert - der Inbegriff der bürgerlichen Hochkultur in Kopenhagen - zum Publikum und sagte, er sei “gegen die dänische Regierung und deren Unterstützung für die USA in diesem Krieg” mit gemischtem Erfolg. Einige der Anwesenden applaudierten, andere verließen den Saal und forderten ihr Eintrittsgeld zurück. Auch einige der Musiker weigerten sich, nach der Pause weiterzuspielen, ob als Zeichen ihrer Unterstützung für den Kriegskurs der Regierung oder nur, weil sie sich von einem Deutschen nicht den Pazifismus predigen lassen wollten, ist unklar.

(Avanti Hamburg)