Veranstaltungsreihe der Graswurzelgruppe Kiel in der Pumpe

Biologische Vielfalt & Patente

Fast unbemerkt geräht unsere Ernährung in die Hand weniger Großkonzerne. Still und leise geschieht eine der größten Umweltkatastrophen - der Verlust der Artenvielfalt in der Landwirtschaft. Biopiraten in Form von internationalen Agrar- und Pharmakonzernen bedrohen neben der biologischen Vielfalt auch die kulturelle Vielfalt der indigenen Völker sowie der Bäuerinnen und Bauern. Internationale Abkommen und die Patentierbarkeit von Lebewesen schaffen hierfür rechtliche Grundlagen. Über Zusammenhänge und Hintergründe will die Graswurzelgruppe Kiel in einer dreiteiligen Vortragsreihe in der Pumpe informieren.

Der Begriff Biopiraterie wird von den indigenen Völkern seit einigen Jahren als Kampfbegriff verwendet und soll zum Ausdruck bringen, dass Pharma- und Agrarkonzerne die Biologische Vielfalt südlicher Länder patentieren lassen. Vormals war diese Biologische Vielfalt Allgemeingut, d.h. sie stand zum Nutzen aller frei zur Verfügung. Damit steht Biopiraterie für einen einseitigen Ressourcenfluss aus dem Süden bzw. den Ländern mit hoher Biologischer Vielfalt, nach Norden, also in die Industrieländer, in denen Technologien zur Vermarktung dieser Vielfalt bereit stehen. Der Fluss in umgekehrte Richtung findet nur unter der Prämisse statt, dass die Produkte der Industrieunternehmen teuer be-zahlet werden.

Diese Biopiraterie geschieht auf der Grundlage verschiedener internationaler Abkommen und der prinzipiellen Möglichkeit zur Patentierung von Lebewesen.
Das TRIPs Abkommen der WTO (Agreement on Trade Related Aspects of Intellectual Property Rights) von 1995 verpflichtet alle Mitgliedstaaten der WTO (Welthandelsorganisation) einen Patentschutz oder einen entsprechenden Sortenschutz für Pflanzen einzuführen. Im Gegensatz zu vorherigen Abkommen über die biologische Vielfalt ist keine Nutzenbeteiligung vorgesehen und gemeinschaftliches Besitzrecht wird nicht anerkannt.
Welche Dimensionen Patente auf Leben inzwischen erreicht haben, wird in immer neuen Fällen deutlich. Nicht nur genetisch veränderte, sondern auch ganz normale Pflanzen und Tiere werden patentiert, wenn in ihnen Gene von wirtschaftlichem Interesse entdeckt werden. Das Europäische Patentamt in München hat mitlerweile bereits über 300 Patente auf Saatgut erteilt. Mehr als einhundert davon betreffen Pflanzen ohne gentechnische Veränderung. Pflanzen, die seit Jahrhunderten als Ernährungsgrundlage Allgemeingut waren, werden als Ware in Wert gesetzt und als Eigentum abgesichert.
Wer das Saatgut kontrolliert, hat die Macht über die Nahrungsmittel. Die kleineren Saatgutunternehmen wurden von den großen Konzernen aufgekauft. Heute kontrollieren zum Bei-spiel DuPont und Monsanto gemeinsam 73 Prozent des US-Marktes für Getreidesaatgut. Nur fünf Unternehmen teilen sich 75 Prozent des weltweiten Marktes für Gemüsesaatgut.

Wie die Patentierbarkeit von Lebewesen die Biologische Vielfalt gefährdet, was das für die Sicherheit der Welternährung bedeutet, welche rechtlichen Grundlagen geschaffen wurden und was die Versprechen der Grünen Gentechnik halten, soll in der Vortragsreihe näher aufgezeigt werden.

Zum Auftakt der Vortragsreihe ist BIOPOLY, die Ausstellung der BUKO Agrar Koordination in Kiel zu sehen.
Auf zwölf großen farbigen Schautafeln wird der Zusammenhang zwischen biologischer Vielfalt, vielfältiger Landwirtschaft und der Sicherung der Welternährung dargestellt.

Die Veranstaltungen im Einzelnen:

“Vom Pflanzenwesen zum patentierten Bio-Rohstoff” - Vortrag mit Filmbeispielen (Die, 9.9., 19.30 Uhr):

Der Wandel in der Beziehung zwischen Menschen und Pflanzen, wie er sich in den Industriestaaten vollzogen hat, wird von Andrea Kraus beschrieben. Die ökologischen, sozialen und auch politischen Folgen werden skizziert. Patente auf Lebewesen stellen sich als logische Folge einer langen Entwicklung dar. Welche Dimensionen hat der Verlust biologischer Vielfalt aber auch der Verlust kultureller Vielfalt und was tragen Biopiraten dazu bei?!
“Die Kommerzialisierung der Welternährung” - Vortrag mit Filmbeispielen (Die, 23.9., 19.30 Uhr):

Die Zusammenhänge zwischen Agrarindustrie, Patenten und der Gefährdung der Welternährung werden von Uli Eder von der BUKO Agrar Koordination aufgezeigt. Im Konflikt um die Nutzung der biologischen Vielfalt müssen die politischen und wirtschaftlichen Rahmen-bedingungen - wie z.B. das TRIPs Abkommen der WTO - aus Sicht von Nord und Süd betrachtet werden Eine neue Dimension des Kolonialismus ist erreicht. Doch Biopiraterie findet auch vor unserer Haustür im eigenen Land statt. Nachbaugebühren gefährden hier die biologische Vielfalt und können für die sogenannten Entwick-lungs-länder zum bedrohlichen Präzedenzfall werden.

“Gentechnik beseitigt keinen Hunger” - Vortrag mit Beispielen (Die, 30.9., 19.30 Uhr):

Nach den Ursachen des Welthungers und den Versprechungen der Grünen Gentechnik müssen grundlegende Fragen gestellt werden. Es wird skizziert wie Gentechnik zur Gefährdung der biologischen Vielfalt beiträgt. Die Freisetzung von gentechnisch veränderten Pflanzen ist dabei nur ein Thema. Es stellt sich die Frage, ob langfristig überhaupt noch eine gentechnikfreie Ernährung gewährleistet werden kann. Auf die aktuelle Gesetzeslage soll ebenso eingegangen werden wie auf Freisetzungsflächen in Schleswig-Holstein.

In allen Veranstaltungen werden Projekte und Kampagnen gegen Biopiraterie vorgestellt.

"Durch Patente und Gentechnik werden neue Kolonien geschaffen. Das Land, die Wälder, die Flüsse, die Ozeane ud die Atmosphäre - alle sind sie kolonialisiert, ausgelaugt und verschmutzt. Jetzt braucht das Kapital neue Kolonien, in die es für seine weitere Akkumulation eindringen und die es ausbeuten kann. Die neuen Kolonien sind aus meiner Perspektive die Innenräume der Körper von Frauen, Pflanzen und Tieren. Der Widerstand gegen Biopiraterie ist ein Widerstand gegen die ultimative Kolonialisation des Lebens selbst - sowohl der Zukunft der Evoluttion, als auch der Zukunft nichtwestlicher Traditionen in Bezug auf die Natur und das Wissen über sie. Es ist ein Kampf, um der Artenvielfalt die Freiheit zur Entwicklung zu gewähren. Es ist ein Kampf, um der kulturellen Vielfalt den Freiraum zur Entwicklung zu lassen."

Aus: Vandana Shiva: Biopiraterie - Kolonialismus des 21. Jahrhunderts