Guantánamo:

Vorbild für Diktatoren

Amnesty international hat Mitte August einen Bericht über die Behandlung von Kriegsgefangenen der USA in Guantánamo und in Afghanistan veröffentlicht, der erneut zeigt, dass Washington fortgesetzten Bruch des Völkerrechts betreibt. Wir befragten dazu Kamal Samari der für die internationale Zentrale der Menschenrechtsorganisation in London arbeitet. (wop)

LinX: Sie haben mit einigen der wenigen, die bisher aus den US-Gefangenenlagern in Guantánamo und in Afghanistan freikamen, sprechen können. Was hatten diese zu berichten?

Kamal Samari: Sie haben uns von ihrem Leidensweg erzählt, den sie im afghanischen Gefängnis Bagram oder im Gefangenenlager in der Bucht von Guantánamo auf Kuba durch machen mussten. Ihre Beschreibungen decken sich mit den Berichten über die schlechte Behandlung der Gefangenen, die wir bereits früher veröffentlicht haben. Die Festgehaltenen befinden sich nach wie vor in einem rechtlichen Niemandsland. Die US-Regierung hat den neuen Begriff der feindlichen Kämpfer geschaffen und weigert sich, den Betroffenen den Status des Kriegsgefangenen zuzuerkennen. Sie haben weder Zugang zu Anwälten, noch können sie ihre Familien sehen. Und sie wissen nicht, weshalb sie gefangen gehalten werden. Nur sechs von 684 aus zirka 40 Ländern haben bisher eine Anklage erhalten, mit der sie vor ein Militärtribunal gestellt werden sollen.

LinX: Was haben Ihre Gesprächspartner über die Behandlung berichtet.

Zunächst ist das die Willkür. Ein Betroffener erzählte uns, er sei in seinem Taxi unterwegs gewesen, als er verhaftet wurde, ohne dass man ihm den Grund sagte. Er bekam die Augen verbunden und wurde gefesselt. In Bagram wurde er und andere vom Schlafen abgehalten, in dem das Licht in den Zellen nicht abgeschaltet und regelmäßig an die Türen geschlagen wurde. Später wurde er nach Guantánamo gebracht und schließlich ohne jede Erklärung geschweige denn Entschädigung entlassen.Ein anderer Ex-Gefangener sagte aus, man habe ihn in Bagram täglich dazu gezwungen, stundenlang zu knien. Noch jetzt habe er deshalb Beschwerden in den Knien. Auch er berichtete uns von Schlafentzug.

LinX: Sind diese Bedingungen ihrer Ansicht nach vom Völkerrecht gedeckt?

Auf keinen Fall. Hier wird das Völkerrecht verletzt. Die Genfer Konventionen halten eindeutig fest, das Verdächtige solange als unschuldig angesehen werden müssen, wie sie nicht von einem ordentlichen Gericht verurteilt wurden. Doch keiner der Gefangenen hat bisher einen Gerichtstermin. Auch, dass man ihnen den Status des Kriegsgefangenen verweigert, ist eine Verletzung des Völkerrechts.

LinX: Könnte das US-Beispiel Schule machen?

Ja. Wir befürchten, dass das Verhalten der US-Behörden die Verteidigung der Menschenrechte in anderen Ländern erschweren wird. Regierungen könnten sich künftig auf dieses Beispiel berufen. Wir fordern daher, dass die Gefangenen entweder entlassen oder vor ein ordentliches Gericht gestellt werden, mit allen Möglichkeiten der juristischen Vertretung. Die Militärtribunale sind nach internationalen Standards unakzeptabel. Die Gefangenen müssen human behandelt werden und ihre Familien und Anwälte über ihren Aufenthaltsort informiert werden.In Bagram hat es im Dezember 2002 zwei ungeklärte Todesfälle gegeben. Der Autopsiebericht spricht von "stumpfer Gewalteinwirkung". Hier fordern wir eine unabhängige internationale Untersuchung.