WTO-Ministerkonferenz in Mexiko:

Gegen Globalisierung und Krieg

Nein, in Ruhe tagen können die Großen dieser Welt nicht mehr. Schon gar nicht, wenn sie über die weitere Liberalisierung des Welthandels sprechen wollen. Mitte September wreden nicht nur die 146 Mitgliedsländer der Welthandelsorganisation WTO ihre Minister in den mexikanischen Küstenstädtchen Cancún schikken. Auch zehntausende Vertreter sozialer Bewegungen aus aller Welt, Bauern, Studenten, Fischer, Gewerkschafter, Frauenaktivistinnen und Umweltschützer werden in dem Badeort an der Westküste Yukatans erwartet. Neben zahlreichen Straßenaktionen und einer großen Demonstration ist ein „Forum der Völker“ (People's Forum) geplant, auf dem über die katastrophalen Folgen des liberalisierten Welthandels für weite Teile der Weltbevölkerung und die Alternativen zum  Freihandels- regime gesprochen werden soll. Fünf Tage lang wird es vom 9. bis zum 14.September um Themen wie Landwirtschaft, Handel und Gewalt, Natürliche Ressourcen und Umwelt, Privatisierung sowie Dienstleistungen gehen. Auf mexikanischer Seite wird das Forum und die Großdemonstration, die am 13. geplant ist, vom Aktionsnetzwerk gegen Freihandel organisiert, beteiligt ist unter anderem auch die Union der unabhängigen regionalen Bauernverbände.

Weltweit wird es in diesen Tagen Demonstrationen und Kundgebungen gegen das WTO-Treffen, und auch hierzulande gibt es dazu allen Anlass. Nicht nur weil die Neuverhandlungen des WTO-Dienstleistungsabkommen GATS zu einem weiterer Privatisierungsschub unter anderem bei der Wasserversorgung und an den Hochschulen führen könnte. Sondern auch weil Bundesregierung und EU massiv in der WTO auf ein Investorenschutzabkommen drängen, dass hiesigen Unternehmen in den Entwicklungsländern noch mehr Rechte einräumen würde.

Die Aktionen werden schon seit fast einem Jahr auf zahlreichen internationalen Treffen, wie den verschiedenen kontinentalen Sozialforen und dem Weltsozialforum in Porto Alegre diskutiert und vorbereitet. Unter anderem hat sich mit „Our World Is Not For Sale“ (Unsere Welt ist keine Ware) ein loses internationales Netzwerk gebildet, das die weltweite Koordinierung der Proteste unterstützen will. Ihm gehören die internationalen Organisationen Attac und Friends of the Earth (Freunde der Erde) an, daneben Dutzende weiterer nationaler und regionaler Verbände aus aller Welt.

Mit Via Campesina ist auch ein internationales Netzwerk von Organisationen der Kleinbauern und Landarbeiter mit von der Partie, das bereits bei den legendären Protesten 1999 in Seattle dabei war. In ihm haben sich so bekannte Gruppen wie die Bewegung der Landlosen (MST) aus Brasilien oder die französische Confederation Paysanne zusammengeschlossen. Letztere wurde weit über Frankreich hinaus durch ihren charismatischen Sprecher José Bové berühmt. Via Campesina fordert vor allem, dass in der WTO nicht über Agrarpolitik verhandelt wird. Während eine Reihe der Länder des Südens darauf drängt, dass mit dem WTO-Agrarabkommen AOA (Agreement on Agriculture) die Märkte im Norden für Landwirtschaftliche Produkte aus dem Süden geöffnet werden, versprechen sich die Kleinbauern des Netzwerkes davon keinen Vorteil. Das diene höchstens der Plantagenwirtschaft heißt es zum Beispiel beim philippinischen Bauernverband KMP, einer anderen Via-Campesina-Mitgliedsorganisation. „Vom Standpunkt der Bedürfnisse der Völker und der ländlichen Gesellschaften hat die WTO keine Legitimität“, heißt es in einer Erklärung des Netzwerkes zum Cancúner Treffen. „Das Agrarabkommen dient den Interessen der transnationalen Konzerne. EU und US setzen Regeln durch, die es ihnen erlauben, ihre Dumping-Praktiken fortzusetzen, mit denen sie ihre landwirtschaftlichen Überschüsse zu niedrigen Preisen im Süden verkaufen. Gleichzeitig werden die unterentwickelten Länder gezwungen, ihre Zölle abzusenken und die Schutzbestimmungen für ihre Agrarsektoren aufzuheben.“ Die WTO dränge darauf, sowohl auf dem Weltmarkt wie auch den internen Märkten, die Preise für Agrarprodukte abzusenken, und gefährde dadurch die Existenz von Millionen Kleinbauern und somit auch die Nahrungsmittelsouveränität, das heißt, die lokale und nationale Kontrolle über die Versorgung der Bevölkerung.

Auch der Zusammenhang zwischen Globalisierung, Freihandel und Militarisierung der internationalen Beziehungen wird in Cancún vielfach thematisiert werden. „Die WTO-Ministerkonferenz findet im Zusammenhang eskalierender militärischer Aggression der USA gegen die Völker und Nationen der Welt statt“, hatte es bereits Mitte Mai auf einem kontinentalen Forum gegen das amerikanische Freihandelsabkommen FTAA geheißen. „Washingtons Invasion und Besetzung des Iraks ist nur der letzte und empörendste Fall der unilateristischen Außenpolitik der Bush-Regierung. Die WTO ist Krieg mit anderen Mitteln. ... Wir sagen acht Jahre WTO sind genug. Und wir sagen: Das letzte, was die Menschen in Amerika brauchen, ist das FTAA.“ Entprechend soll am 13. September nicht nur in Cancún sondern zugleich rund um den Globus „Gegen Globalisierung und Krieg“ - so das Motto - demonstriert werden.

Unter einem ähnlichen Motto - „Gegen Krieg und WTO“ - steht auch eine Karawane von mexikanischen Jugend- und Studentenorganisationen, die vom 7. bis zum 11. von Mexico City nach Cancún ziehen soll. Am 12. wollen die Organisatoren der Karawane eine Kundgebung unter dem Motto „Zapatismus und Widerstand“ abhalten, mit dem an den Kampf der EZLN in Chiapas erinnern soll. Die EZLN hatte sich am Tag des Inkrafttretens des nordamerikanischen

Freihandelsabkommens NAFTA erhoben und damit unter anderem auf die akute Gefährdung mexikanischer Kleinbauern durch US-Importe hingewiesen, von denen seit dem Zehntausende haben aufgeben müssen. Auch in anderen Ländern planen Studentenverbände Aktionen, um auf die durch das WTO-Dienstleistungsabkommen GATS drohende Privatisierung von Bildungseinrichtungen hinzuweisen.

Bei Our World Is Not For Sale hat man sich darauf geeinigt, dass die Woche vom 7. bis zum 14. zur weltweiten Aktionswoche erklärt wird. Besonderes Gewicht soll dabei neben dem 13. auf den 9. September, dem Vortag des Beginns der Ministerkonferenz gelegt werden. In möglichst vielen Ländern soll die Abreise der Regierungsvertreter mit Aktionen begleitet werden. Über Aktionen in Kiel – unter anderem wollte darüber das Antikriegsbündnis diskutieren – war uns bei Redaktionsschluss leider nichts bekannt.
(wop)