Internationaler Protesttag gegen die Besetzung des Irak

Am 27.09. kam es weltweit zu Protesten der Friedensbewegung gegen die Besetzung des Irak durch US- und mit ihnen verbündete Truppen. Der volle Umfang dieser Demonstrationen war bei Redaktionsschluss noch nicht bekannt. Eine der größten Aktionen gab es wohl in Großbritannien, dessen Labour-Regierung sich in Folge des Irak-Krieges mit einer schweren Glaubwürdigkeitskrise konfrontiert sieht. Vor dem Krieg hatte Ministerpräsident Blair behauptet der Irak sei im Besitz von Massenvernichtungswaffen, die innerhalb von 45 Minuten einsetzbar wären. Dies wurde nach dem Kriegsende als Lüge entlarvt und entsprechend gingen in London nahezu 100000 Menschen unter dem Motto “No more Lies” auf die Strasse. In Brüssel und Athen beteiligten sich jeweils einige Tausend Menschen an den Protesten, ebenso in Deutschland. Hier gab es Aktionen u.a. in Berlin, Frankfurt, Stuttgart und Bonn. In Kiel hatten die Anti-Kriegs-AG von Attac, das  Antikriegs- bündnis, DIDF, SDAJ u.a. zu einer Kundgebung auf dem Holstenplatz aufgerufen, an der sich etwa 30 Aktivisten beteiligten. (cg)

Dokumentiert wird im folgenden die Rede der Attac-AG:

Liebe Kielerinnen und Kieler,

der Anlass der heutigen Aktion ist der Krieg im Irak und die Besetzung des Landes durch US-amerikanische, britische und mit ihnen verbündete Truppen.
Heute, am 27.09., gehen in vielen Ländern Kriegsgegner auf die Straße, um gegen die Besetzung und den Krieg zu protestieren, der sich in veränderter Form fortsetzt.

Der Verlauf des Krieges hat nicht alle, aber viele Befürchtungen der Friedensbewegung bestätigt: Den Krieg haben Zehntausende Iraker nicht überlebt, darunter mindestens 6000 Zivilisten. Weiterhin wurden mind. 20000 Menschen verletzt, viele haben Hab und Gut durch die Bombardierungen verloren. Weite Teile der Infrastruktur wurden zerstört und bis heute sind Wasser- und Stromversorgung sowie Telefonverbindungen nicht wieder zufriedenstellend hergestellt.
Weiterhin haben sich die offiziellen Kriegsgründe mittlerweile als erlogen oder stark übertrieben herausgestellt.

Wir erinnern uns: Im  März und April dieses Jahres führten die USA u. GB ihren Krieg gegen den Irak. Dieser Krieg war völkerrechtswidrig und wurde gegen den Willen der großen Mehrheit der Weltbevölkerung geführt. Als Gründe für die Notwendigkeit wurden damals genannt:

- die Befreiung der irakischen Bevölkerung von der Diktatur Saddam Husseins und die Demokratisierung des Landes

- die Bedrohung der Welt durch den Irak, denn dieser würde sofort einsetzbare Massenvernichtungswaffen besitzen

- die Bedrohung durch den Terror der Al-Qaida, mit der der irakische Diktator zusammenarbeiten würde

Wie stellen sich diese Begründungen heute – knapp fünf Monate nach dem offiziellen Kriegsende - dar?

Unzweifelhaft führte der Krieg zum Sturz des Diktators Hussein, welcher in den 80er Jahren noch von den USA unterstützt wurde. Dieses Regime war verbrecherisch und wir weinen ihm keine Träne nach.

Dennoch ist der Irak von Frieden und Demokratie immer noch weit entfernt.

Die Besatzungstruppen haben sich als neue Unterdrücker der Bevölkerung erwiesen und sind ein Hindernis für eine unabhängige Entwicklung des Landes
So ist z.B. der irakische Regierungsrat nicht von der Bevölkerung demokratisch gewählt, sondern durch die US-Militärverwaltung eingesetzt und in seinen Entscheidungen von diesem abhängig. US-Präsident Bush hat erst in dieser Woche Forderungen nach einer baldigen Machtübertragung an die Iraker deutlich zurück gewiesen. Medien, die der US-Besatzung kritisch gegenüberstehen, werden zensiert, so. z.B: die Sender Al-Arabia und Al-Dschasira, welche der Regierungsrat verbieten will. Die von den USA und GB diskutierte Einführung der Todesstrafe im Irak ist weiterhin kein Zeichen für eine freiheitliche Entwicklung.
Viele Iraker haben den Sturz des Hussein-Regimes begrüßt, wenden sich jedoch immer deutlicher von den Besatzungstruppen ab, die für neue – auch gewaltsame - Unterdrückung stehen:

So starben nach Kriegsende bereits mehrere Hundert Iraker infolge Alliierter Razzien oder Niederschlagung von Demonstrationen. Ca. 5000 Menschen sitzen in den Gefängnissen der Besatzer, von denen die Mehrheit keine Verbindung zum alten Regime hatte. Bereits im Juli hat Amnesty International darauf hingewiesen, daß diese Gefangenen z.T. gefoltert und mißhandelt und in Einzelfällen sogar erschossen wurden.

Die von den USA und GB behauptete Bedrohung der Welt durch irakische Massenvernichtungswaffen hat tatsächlich nie existiert. Trotz fieberhafter Suche haben die Besatzer im Irak bisher keine Anzeichen für die Existenz dieser Waffen gefunden.

US-Regierungsberater Wolfowitz hat bereits im Mai zugegeben, dass diese Waffen für die USA lediglich ein Vorwand waren, um eine größere Zustimmung zum Krieg zu erreichen. In Großbritannien haben ähnliche Lügen mittlerweile zu einer schweren Krise der Blair-Regierung geführt und deren Glaubwürdigkeit massiv erschüttert.

Auch die Verbindung des irakischen Regimes zur Al-Qaida ist offenbar eine Erfindung der US-Regierung gewesen, um die US-amerikanische Bevölkerung auf den Kriegskurs einzuschwören. Dennoch hält die Regierung bis heute an der Behauptung fest, der Irak-Krieg sei ein Teil der Terrorismusbekämpfung gewesen. Unserer Auffassung nach hat sich der Irak jedoch erst infolge der US-Intervention zu einem Schwerpunkt des Terrorismus entwickelt.

Die Präsenz der US-Truppen ist willkommener Anlass für vermutlich islamistische reaktionäre Strömungen Anschläge im Irak zu verüben, denen auch irakische Zivilisten zum Opfer fallen – so z.B. der verheerende Anschlag auf die Moschee in Nadjaf. Solche Aktionen unterstützen wir in keiner Weise.

Dagegen fallen die täglichen Opfer von US-Soldaten in die volle Verantwortung der Bush-Regierung.

Weiterhin treten wir durchaus für das Recht der irakischen Bevölkerung ein sich gegen das Besatzungsregime zu wehren.

Die Kriegsgründe der USA und GB haben sich als Lügen herausgestellt. Wir sind dagegen der Meinung, daß ein Hauptgrund für den Krieg war, den USA die Kontrolle der zweitgrößten Erdölreserven der Welt zu sichern, die sich im Irak befinden.

Mit vielen Kriegsgegnern auf der ganzen Welt fordern wir heute am internationalen Aktionstag gegen die Besetzung des Irak: Die Besatzungstruppen der USA, GBs und der mit ihnen verbündeten Länder sollen abziehen, keine deutschen oder andere Truppen in den Irak  – denn sie sind ein Hindernis für eine unabhängige  Ent- wicklung des Irak. Die irakische Bevölkerung soll selbständig über die Verwaltung des Landes und seiner Ressourcen entscheiden können.

Wir fordern: Kein UN-Mandat für die Besatzungstruppen, denn dieses wurde den Krieg und die Besetzung nachträglich legitimieren.

Wir fordern weiterhin: Reparationszahlungen an den Irak für die Folgen des Krieges und der Sanktionen. Anstatt monatlich 3,9 Mrd. $ für die Besatzungstruppen auszugeben, könnte dieses Geld sinnvoller in den Wiederaufbau des Landes investiert werden.

Wir werden weiterhin gegen die Folgen des Krieges und weitere Kriege kämpfen: Globaler Widerstand gegen alle imperialistischen Kriege!