Kommentar:

Zeit für Gegenwehr

Und da dachten wir, 2002 sei die alte Koalition aus Grünen und SPD im Amt bestätigt worden. Ist sie wohl irgendwie auch, aber Politik wird offensichtlich in der großen Koalition gemacht. Die bläst nämlich derzeit zum Generalangriff auf den Sozialstaat. Am 26. September wurden im Bundestag erste Bausteine der so genannten Agenda 2010 verabschiedet, und zwar zumeist mit überwältigender Mehrheit. Kranke werden künftig noch mehr zur Kasse gebeten, Zahnersatz aus der Krankenversicherung herausgenommen und Arbeitslosengeld nur noch für maximal zwölf Monate gezahlt.

Geht es eigentlich noch zynischer? Da wird mächtig an der Armutsspirale gedreht, immer mehr Menschen ins Abseits gedrängt, Steuergeschenke ohne Ende an Unternehmer und Besserverdienende gemacht. Gesundheit und Altersruhestand werden zum Luxus, gleichzeitig die Bundeswehr kräftig modernisiert und in alle Welt geschickt, und das Ganze wird von einer Partei organisiert, die sich sozial nennt.

Abgeklärte Linke werden diese Aufregung über die SPD vielleicht naiv finden: „Wissen wir doch alles längst. Wer hat denn noch Illusionen in die  Sozial- demokraten?“ Aber sollte man es deshalb nicht mehr sagen? Manche Wahrheiten müssen immer wieder herausgeschrien werden: Diese Partei ist ein Haufen verkommener, an ihren Sesseln in Parlamenten und Kommunalverwaltungen klebender Bürokraten, der eine Politik betreibt, wie sie unsozialer und militaristischer auch nicht von der CDU gemacht werden könnte. Ihre Abgeordneten leisten sich nicht einmal mehr eine eigene Meinung. Ganze sechs SPD-Parlamentarier haben sich an ihr sozialdemokratisches Vorleben erinnert und gegen den Sozialraub gestimmt. Die anderen Widerspenstigen ließen sich - mal wieder - von den Schröder'schen Rücktrittsdrohungen einschüchtern.

Das Dramatische an diesem Verwesungsprozess der SPD ist, dass er nicht nur ein eisiges soziales Klima verbreitet, sondern Millionen Menschen mit ihren Zukunftsängsten orientierungslos zurücklässt. Hier einzugreifen, wäre Aufgabe einer Linken, die diesen Namen verdient. In ganz Westeuropa gibt es erhebliche Gegenwehr gegen vergleichbare Regierungspolitik. In Frankreich, Österreich und Italien sind Streiks gegen Rentenklau und Ähnliches an der Tagesordnung. Überall müssen die Gewerkschaftsführungen zum Jagen getragen werden, nur hierzulande haben sie wenig Druck von der Linken zu befürchten. Bleibt zu hoffen, dass sich das mit den neuen Initiativen gegen die “Agenda 2010” endlich ändert.  (wop)