Keine Ruhe im "humanitären" Abschiebeknast

Seit Januar 2003 ist das landeseigene Abschiebegefängnis in Rendsburg in Betrieb, für das die Landesregierung mit dem Versprechen liberaler Haftbedingungen warb. Diese sind tatsächlich besser, verglichen mit Glasmoor und Eisenhüttenstadt, wohin Schleswig-Holstein Abzuschiebende früher verbrachte. Insbesondere die Möglichkeit des Kontaktes zu externen BeraterInnen und BesucherInnen, bergen die Chance, da wo es möglich ist, noch rechtliche Schritte zur Haftentlassung zu unternehmen. Dass das eigentliche Problem der Abschiebehaft jedoch nicht deren Rahmenbedingungen, sondern die Haft und die drohende Abschiebung selbst sind, bewies sich schon in den ersten zehn Monaten der Existenz des Knastes, in denen die Häftlinge ihrem Unmut und Ihrer Verzweiflung Ausdruck verliehen.

Hungerstreik, Fluchtversuch und Zellenbrand

Vor einigen Monaten gab es einen Hungerstreik, ausgelöst durch die Lieferung von verschimmeltem Brot. (LinX berichtete) Die Insassen verfassten einen offenen Brief an die Anstaltsleitung und forderten neben dem Protest gegen das Brot eine Verkürzung der Haftzeit. Das Problem mit dem Brot wurde abgestellt, die Haftdauer bleibt.
Vor zwei Wochen gelang einem Algerier die Flucht über die vor Inbetriebnahme noch mit Mauerkronen aufgerüstete Gefängnismauer. Selbst die Kieler Nachrichten konnten sich einer gewissen Bewunderung für den Coup nicht enthalten. Bisher fehlt von dem Flüchtling jede Spur.
Der jüngste Vorfall ist dramatischer. Vom 22. auf den 23.10. brannte es in einer Zelle im Abschiebeknast in Rendsburg. Der 28jährige Marokkaner, der in dieser Zelle einsaß, musste lebensgefährlich verletzt in eine Lübecker Spezialklinik eingeliefert werden. Vieles deutet daraufhin, dass er selbst seine Zelle in Brand gesteckt hat. Ministerin Lütkes reiste eigens an, um im Rahmen einer Pressekonferenz den Ruf der Anstalt zu retten. Die Bedingungen in der Haftanstalt seien sehr liberal, es gebe viele Freizeitmöglichkeiten, lediglich die lange Haftdauer sei ein Problem. In der Landeszeitung wurde berichtet "Warum genau der Häftling versucht haben könnte, sich umzubringen, sei unklar." Einige Zeilen vorher erfahren wir allerdings, dass der Mann noch am selben Morgen abgeschoben werden sollte. Wer hier noch Fragen hat, will nicht begreifen, das die Menschen die hierher kommen, dies aus guten Gründen tun, sei es um vor Krieg und Unterdrückung zu fliehen oder um ein besseres menschenwürdiges Leben zu finden. Die Vorstellung in das Herkunftsland zurückkehren zu müssen, löst Panik aus. Selbstmordversuche sind in Abschiebegefängnissen keine Seltenheit, auch dieser Vorzeigeknast bleibt davon nicht verschont.

Die Abschiebehaft ist das Problem - nicht ihre Rahmenbedingungen

Abschiebehaft ist unverhältnismäßig, demütigend und kriminalisiert einmal mehr Flüchtlinge und MigrantInnen. Für die deutsche Bevölkerung sind Gefängnisinsassen Kriminelle, Die Betroffenen selbst begreifen oft  nicht, warum sie inhaftiert werden. Sie sind gekommen, um in Freiheit und unter menschenwürdigen Bedingungen zu leben und finden sich im Gefängnis wieder. Ihr einziges Verbrechen besteht darin, keine passenden Papiere zu haben. Die Inhaftierung und die Angst vor der bevorstehenden Abschiebung stürzen die Menschen in Verzweiflung, Depression oder Wut, führen zu Protest, Fluchtversuchen und  zu Selbstmord. Daran ändern auch humane Haftbedingungen nichts. Lockere Bedingungen sind besser, wenn man erst mal im Gefängnis ist. Das zentrale Problem bleibt die Tatsache des Freiheitsentzugs. Die in vielen Fällen lange Haftdauer ist dabei ein zusätzlicher Skandal und unter anderem auch der restriktiven europäischen Asylpolitik geschuldet. Viele der Inhaftierten sind Flüchtlinge, die über ein anderes europäisches Land nach Deutschland eingereist sind. Sie bleiben in Haft während geklärt wird, ob sich der betreffende Staat nach dem Dubliner Übereinkommen zur Rückübernahme bereiterklärt. Das dauert oft viele Monate, da auch unsere Nachbarstaaten nicht an Flüchtlingsaufnahme interessiert sind.

Abschiebehaft ist nicht human - nicht in Rendsburg und nicht anderswo. Sie gehört abgeschafft - in Rendsburg und anderswo. (aw)