Neue Broschüre gegen “Agenda 2010”:

Vorreiter Deutschland

Attac will sich verstärkt um soziale Fragen kümmern, beschloss am 19. Oktober der Ratschlag in Aachen, eine attac-eigene Mischung aus Delegiertenkonferenz und bundeswqeiter Mitgliederversammlung. Quasi zum Auftakt seiner Schwerpunktskampagne gegen Sozialabbau und „Agenda 2010“ stellte das globalisierungskritische Netzwerk letzte Woche einen Reader vor, in dem sich zahlreiche namhafte linke Ökonomen und Soziologen mit den entsprechenden Vorhaben der Bundesregierung auseinandersetzen. Unter dem Titel „Solidarische Gesellschaft oder Manchester-Kapitalismus?“ beschäftigen sich Autoren wie Elmar Altvater, Frigga Haug, Hans- Ulrich Deppe, Heiner Flassbeck und elf andere Autorinnen und Autoren mit den Angriffen auf Gesundheitsversorgung und Rente, Tarifhoheit und Kündigungsschutz.
„Einige Leute haben sich ja gewundert“, so Peter Wahl vom Attac-Koordinierungskreis, „dass wir uns jetzt auch mit sozialen Fragen beschäftigen.“ Doch die Gründe lägen auf der Hand. Der Umbau der sozialen Sicherungssysteme, den Wahl nicht Reform, sondern „bestenfalls Deform“ nennen mag, habe seine Ursachen in der neoliberalen Globalisierung. Durch die Öffnung aller Grenzen für den Waren- und Dienstleistungsverkehr und die Liberalisierung der Kapitalmärkte würden die Konzerne heute in einen weltweiten Wettbewerb treten und in diesem versuchen, sich Vorteile durch Kostensenkung zu verschaffen. Daher werde auf Löhne und Sozialabgaben gedrückt und auf die Regierungen Druck gemacht, die Unternehmenssteuern zu senken.

Dass dahinter allerdings nicht nur anonyme Marktkräfte stecken, wusste bei der Vorstellung des Readers der ehemalige Vorsitzende der IG Medien, Detlef Hensche, zu berichten: In Wirklichkeit sei Deutschland in der Frage des Abbaus sozialer Standards eher Vorreiter. „Seit 20 Jahren hören wir hier die gleiche Litanei: Die Lohnkosten sind zu hoch, die Vorschriften zu starr und die deutsche Wirtschaft deshalb nicht konkurrenzfähig“, so Hensche. Tatsächlich könne man aber in den Nachbarländern feststellen, dass dort die Regierungen den Sozialabbau mit Vorgaben aus Berlin begründen. Der ökonomische Riese Deutschland setze mit seiner Politik der Kürzungen beim Sozialen auch massiv die Bedingungen in anderen Ländern unter Druck.

Für Hensche geht es beim Widerstand gegen die „Agenda 2010“ auch um grundlegende Rechte. „Der Schutz vor willkürlicher Kündigung und das Recht auf einen unbefristeten Vertrag hat etwas mit der Würde des Menschen zu tun“, so Hensche, der auch vor Angriffen auf die Tarifautonomie warnte. Zugleich riet er den Gewerkschaften, nicht zu versuchen, sich das Wohlwollen des Kanzlers dadurch zu erkaufen, indem an anderer Stelle stillgehalten werde. Außerdem müsse man, um die Tarifautonomie zu verteidigen, sie auch nutzen.

Wie Hensche sah auch Wahl die Notwendigkeit eines breiten Widerstandes gegen die „Agenda 2010“. Der Aufbau einer außerparlamentarischen Bewegung stehe erst am Anfang und werde durch das Bestehen einer faktischen Allparteienkoalition im Bundestag erschwert. Erster Schritt einer solchen Bewegung solle die bundesweite Demonstration gegen sozialen Kahlschlag am 1. November sein. (wop)

Die Broschüre kann zum Preis von drei Euro (plus Versandkosten) bei ATTAC bestellt werden. Tel.: 069/90028110, Email: info@attac.de