Uranwaffenkonferenz in Hamburg:

Zeitbomben für die Zivilbevölkerung

In der Hamburger Universität fand vom 16. bis zum 19. Oktober eine internationale Uranwaffen-Konferenz statt. Sie sollte den Austausch unabhängiger Wissenschaftler über ihre bisherigen Forschungsergebnisse ermöglichen und sie mit Friedens- und Anti-Atombewegung, mit den Kriegsveteranen und den zivilen Betroffenen zusammenbringen, um Informationen auszutauschen.

Bis heute wissen viele, vor allem Soldaten nichts vom Einsatz dieser gefährlichen Schwermetalle. Diejenigen, die nachfragen, werden im Unklaren gelassen, kritische Forscher kaltgestellt und verstrahlten Soldaten eine Entschädigung verweigert. Umfassende Studien zur Beweissicherung und Publikmachung sind teuer und können von keinem unabhängigen Institut, keiner Organisation allein getragen werden.

Es geht um das so genannte depleted uranium (DU) – abgereichtes Uran – das seit dem zweiten Golfkrieg 1991 von sich Reden macht. Dabei handelt es sich schlicht um Atommüll, der verwendet wird um Geschosse schwerer und härter zu machen. Dadurch erreichen sie höhere Tragweite und Durchschlagskraft. Die Konzentration des radioaktiven Uranisotop U-238 ist in DU zwar geringer, als im Natur-Uran, allerdings hat es eine Halbwertzeit von 4,5 Milliarden Jahren, d.h. es strahlt sozusagen ewig. Zudem wird es beim Aufschlag fein als Staub verteilt. Die Gefährlichkeit des DU rührt nicht nur aus seinen radioaktiven Bestandteilen her, sondern auch aus der hohen Giftigkeit, die allen Uranarten eigen ist. Alle internationalen Gesetze über Kriegsführung versuchen die Gewalt in Schlachten zu begrenzen und den Gebrauch von besonders grausamen Waffen zu unterbinden. Durch ihre Langzeitwirkung und ihre unabsehbaren gesundheitlichen Auswirkungen verstoßen DU-Waffen gegen internationale Konventionen und sind illegal. Sie gehören zu den verbotenen Massenvernichtungswaffen, denn die Artikel 35 und 56 der Genfer Konvention verbieten Waffen, die so katastrophale Auswirkungen für die Zivilbevölkerung haben.

Zum ersten Mal kamen 1991 im Südirak 320 Tonnen DU zum Einsatz, danach 3 Tonnen in Bosnien und 10 Tonnen in Serbien und im Kosovo. Unabhängige Forscher gehen davon aus, dass während der Bombardierung Afghanistans rund 1.000 Tonnen Uran zum Einsatz kamen und mindestens die gleiche Menge im jüngsten Irak-Krieg. Experten aller NATO-Länder beobachten unter den Soldaten ein Ansteigen des so genannten Golf- und Balkan-Kriegssyndroms. Der DU-Einsatz von 1991 ist verantwortlich für über 260.000 als erkrankt registrierte Soldaten. Das ist ein Drittel aller Truppen, die an diesem Krieg beteiligt waren.
So saßen denn auch gleich am ersten Tag der Hamburger Tagung mehrere Kriegsveteranen bzw. deren Hinterbliebene auf dem Podium und berichteten von ihren „Friedenseinsätzen“, in denen die eigene Regierung sie in hochbelastete Gebiete geschickt hatte. Zum Beispiel Susan Riordon. Ihr Ehemann ist im Februar 1999 gestorben, kurze Zeit nachdem er vom Krieg nach Hause kam. Er war als kanadischer Geheimdienstoffizier unterwegs in Basrah und anderswo, verdiente viele Dollars. Seine Frau erzählte in aller Ausführlichkeit, wie sie ihm 50 verschiedene Medikamente geben musste, wie er sich quälte, Schlafstörungen hatte und sie ihn pflegte, bis er starb. Philip Steele aus Australien hatte acht Jahre in der Armee gedient und wurde 1992 wegen Gedächtnis- und Gleichgewichtsstörungen ausgemustert. Doch in der Armee hatte man ihm gesagt, dass man von Uran nur krank wird, wenn man es isst. Patricia Rodriguez aus Spanien verlor ihren 22 Jahre alten Freund, der im Kosovo eingesetzt war. Erst hatte er hohes Fieber, zwei Wochen später starb er an Leukämie. Als Konsequenz daraus gründete sie in Spanien ein Büro für die Stärkung der Rechte der Soldaten. Dennis Kyne war schon mit 17 Jahren in die US-Army eingetreten.

Nibby David aus Großbritanien dagegen arbeitete bei Boing in der Montage von Militärflugzeugen. Nirgends in Kriegsgebieten gewesen und dennoch verstrahlt! Wer ahnt auch, dass abgereichertes Uran in Flugzeugen zum Gewichtsausgleich eingearbeitet wird? Durch den in Urankritikerkreisen bekannten Professor Durakovic erfuhr er von den gesundheitsschädlichen Auswirkungen, und in einem Testprogramm wurde bei ihm DU nachgewiesen. Er trug sein Schicksal 2000 im Europaparlament vor und führt die erste Zivilklage wegen Vergiftung durch DU.

Henk van der Keur aus den Niederlanden berichtete in Hamburg über seine Untersuchung der Folgen des Amsterdamer Flugzeugabsturzes 1992, wo seitdem Gesundheitsprobleme bei Helfern und Anwohnern auftreten. Das Gesundheitsministerium ließ zwar Blut- und Urinproben durchführen, doch die entscheidende Isotopenanalyse verweigert es.

Der zweite Tag der Konferenz war der Tag der Wissenschaftler. Unter anderem sprach auch Professor Siegwart Horst Günther, der einer der ersten Warner vor den Gefahren des DU war. Er hatte Geschosse aus dem Irak mitgenommen und wurde in Deutschland verhaftet wegen Freisetzung ionisierender Strahlung, obwohl die Regierung offiziell nichts von Einsatz und Gefährlichkeit des Urans weiß.

Dr. Al-Azzawi aus dem Irak stellte ihre Proben aus Basrah vor, die sie von Boden, Pflanzen und Wasser, aus Ölfeldern und Bauernhöfen entnahm. In Basrah sind mehr als eine Million Geschosse mit DU abgeworfen worden. Uran verwandelt sich nach einem Einschlag in Staub, der sich schnell verbreitet. Professor Scherrer aus Japan berichtete, dass täglich 50 irakische Menschen sterben, was kaum in den Medien erscheint.

Sonnabend früh klärte Dr. Pjotr Bein aus Kanada über Informationskriegsführung auf und legte den verschieden Strömungen in der Friedensbewegung nahe, ihre Unterschiede nicht zu polarisieren. Die Atomlobby sei übermächtig stark, so müssen wir unbedingt geschlossen handeln. Die Schwäche der Regierung liegt in der Wissenschaft, dort können wir ansetzen. Demnächst kommt die 4. Generation von Uranwaffen heraus, und Deutschland, Frankreich und der Iran haben schon Interesse bekundet.

Insgesamt war die Konferenz sehr informativ, und es wurden viele internationale Kontakte geknüpft. Vielleicht ist letzteres sogar das Wichtigste gewesen: zu wissen, dass es auch in vielen anderen Ländern Aktivisten gegen DU, gegen Atom, gegen Krieg gibt, und davon sogar einige persönlich zu kennen. (D.G.)