Europäisches Sozialforum in Paris

Der Regierung ein Problem bereiten

In Paris findet vom 12. bis zum 16. November das zweite Europäische Sozialforum statt. Das erste hatte ein Jahr zuvor im italienischen Florenz mit 40.000 getagt. Mit seiner großen Abschlussdemonstration, an der sich mindestens 500.000 Menschen beteiligten und die ganz im Zeichen des drohenden Krieges gegen den Irak stand, war es zu einer einzigartigen internationalen Manifestation geworden. Von Florenz ging seinerzeit auch die Initiative für den globalen Aktionstag am 15. Februar aus, an dem in aller Welt mindestens 12 Millionen Menschen gegen den drohenden Angriff auf den Irak aUF die Straße gingen. LinX sprach mit Lars Steinau, der seit elf Jahren in Paris lebt und sich am dortigen lokalen Sozialforum beteiligt über den Stand der Vorbereitungen und das politische Umfeld in Frankreich. (wop)

LinX: Die Vorbereitungen für das ESF laufen auf Hochtouren. Mit wie vielen Teilnehmern wird gerechnet?

Lars Steinau (L.S.): Etwa 80.000 davon 20.000 aus dem Ausland. Das Forum ist in fünf sogenannte Hauptachsen aufgeteilt, darunter Themen wie Sozialabbau, Krieg und Frieden, sowie Rechte der Frauen, Migranten und Erwerbslosen. Zu diesen Achsen gibt es unzählige Konferenzen, Workshops und Podiumsdiskussionen. Im Vorfeld gibt es ein Frauenforum und am Sonntag eine Versammlung der sozialen Bewegungen, wo sich all jene treffen, die ein Interesse an gemeinsamen Kampagnen haben, die dann dort beschlossen werden, so wie letztes Jahr in Florenz der überaus erfolgreiche Aktionstag gegen den Krieg am 15. Februar diesen Jahres. Zum Abschluss des Forums wird am Samstag, den 15. November eine große Demonstration geben, zu der 200 000 Menschen erwartet werden.

LinX: Wo sollen all die Menschen untergebracht werden?

L.S.: Bis Mitte Oktober hatten wir bereits 20 000 Schlafplätze in Schulen, Kirchen und anderen öffentlichen Einrichtungen, aber wir suchen noch nach mehr. Außerdem werden auch zahlreiche private Quartiere organisiert. Wir sind zuversichtlich, daß es für alle einen Platz geben wird.

LinX: Bisher war ja ATTAC Frankreich mit seinen über 30.000 Mitgliedern eine Art Sammelbecken der sozialen Bewegungen. Hat sich die Idee der Sozialforen inzwischen auch in Frankreich durchgesetzt?

L.S.: Ja. Es gibt derzeit etwa 150 lokale Sozialforen, und zwar in allen großen und mittleren Städten. Alle linken Parteien bis hin zur Sozialdemokratie beteiligen sich. Außerdem viele Gewerkschaften und natürlich unzählige Migranten- und Frauengruppen sowie andere soziale Organisationen und nicht zuletzt die Antikriegsbewegung. Auch ATTAC ist dabei, aber die Foren sind wesentlich breiter. Die meisten Foren sind erst im Sommer, viele gar erst Anfang September entstanden und dennoch gibt es schon sehr viele Aktivitäten.

LinX: Welche Bedeutung hat das ESF für die französische Innenpolitik?

L.S.: Eine große. Die Regierung befindet sich in einer Krise und leidet unter erheblichem Legitimitätsverlust. Die Auseinandersetzungen mit den verschiedenen Streikbewegungen seit dem Frühjahr hat sie geschwächt. Deshalb ist es unser Ziel, auf dem Forum alle zusammen zu bringen und dem ganzen eine Stoßrichtung gegen die Regierung zu geben: Die Kulturschaffenden, die den Sommer über gestreikt haben, die Lehrer, die sich gegen die Kürzungen bei der Bildung gewehrt haben, jene, die im Frühjahr gegen den Abbau der Rentenversicherung gekämpft haben, und nicht zuletzt die, die sich aktuell gegen die anstehende Entlassungswelle wehren. Die Konjunkturkrise hat nämlich inzwischen mit einiger Verspätung auch Frankreich erreicht, und wie überall reagieren die Kapitalisten mit Entlassungen. All diese Kämpfe hoffen wir mit dem ESF und der Demo bündeln zu können und der Regierung damit ein erhebliches Problem zu bereiten.