Kommentar:

Tätervolk zieht Schlussstrich

Einzelne CDU-Mitglieder haben den Parteiausschluss ihres Bundestagsabgeordneten Martin Hohmann gefordert, weil er "die Juden als Tätervolk bezeichnet" habe. Davon war auch die Rede, als Verteidigungsminister Struck den KSK-Kommandeur General Reinhard Günzel in den Ruhestand schickte, der die Rede Hohmanns als "ausgezeichnete Ansprache ... mit diesem Mut zur Wahrheit und Klarheit" bezeichnet hatte. In Presse und Fernsehen wird gern verkürzt widergegeben, Hohmanns Antisemitismus bestehe darin, die Opfer zu Tätern zu machen. Hohmann hatte sich gegen diesen Vorwurf unwirsch gewehrt mit den Worten, er habe weder die Juden noch die Deutschen als Tätervolk bezeichnet, im Gegenteil. Darauf nahm auch Günzel bezug, und beide haben recht.

Wenn man die Intention von Hohmanns Rede zum 3. Oktober verfolgt, dann hatte er auf "dunkle Flecken" in der jüdischen Geschichte verwiesen, denn auch die Juden hätten sich - vornehmlich auf bolschewikischer Seite - an Schießbefehlen beteiligt, weshalb man sie mit gleichem Recht als Tätervolk bezeichnen könne wie die Deutschen. Sein Argument: Beides sei Blödsinn, beide haben Befehle ausgeführt, also blieben unausgesprochen zwei Opfervölker übrig. Die Deutschen - ein Volk von Opfern des Dritten Reichs? Oder der elenden Geschichtsdebatte? Wie auch immer, mit dieser Auffassung steht Martin Hohmann nicht allein. Einen Schlussstrich unter die deutsche Vergangenheit ziehen, das ist sicherlich ein Anliegen, das noch weit über den Rahmen der CDU hinaus geht und sich bereits in der Diskussion um die Wehrmachtsausstellung manifestierte. Deshalb besteht bei vielen Politikern nicht das Interesse, die Aufmerksamkeit auf diesen Aspekt von Hohmanns ohne Zweifel antisemitischen Ausfällen zu lenken. Was viele seiner Parteifreunde teilen, hatte er nur durch einen ungeschickten Vergleich zu begründen versucht, der sich für ein plakatives, aus dem Zusammenhang gerissenes Zitat geradezu anbot. Die Botschaft des Tätervolks: Schlussstrich ziehen ja, aber mit Fingerspitzengefühl. Jenseits dieses Strichs bleiben "ein einzelner verwirrter General" (Struck) und vielleicht alsbald der eine oder andere "noch verwirrtere CDU-Abgeordnete" (Struck) zurück. Diesseits marschieren wir weiter.

(BG)