Ortopedia von Schließung bedroht:

Betriebsrat wehrt sich

Neue Hiobsbotschaften für Kiel. Ende Oktober kündigte die Meyra-Gruppe an, Ortopedia stilllegen zu wollen. 160 Arbeitsplätze sollen wegfallen und nur ein Vertriebsbüro mit 20 Mitarbeitern aufrechterhalten werden. Angesichts ihres überdurchschnittlichen Alters und der umlaufenden Entlassungswelle in der regionalen Metallindustrie werden es viele der betroffenen Kollegen schwer haben, eine neue Anstellung zu finden. Die Arbeitslosenquote beträgt im Arbeitsamtbezirk Kiel schon jetzt offiziell 14,3 Prozent.

Beim Ortopedia-Betriebsrat geht es indes zu wie in einem Bienenstock. Seit dem die Pläne der Meyra-Gruppe bekannt wurden, ihre Kieler Tochter Ortopedia GmbH stillzulegen, jagt eine Besprechung die nächste. Lokalpolitiker schauen vorbei, Kirchenvertreter und der Betriebsrat eines benachbarten Zulieferers. Nicht einfach, sich in dem Trubel eine Strategie zu überlegen. Zunächst gab es eine Betriebsversammlung. „Die war sehr emotionsgeladen“, so Betriebsratsvorsitzender Hartwig Oetting. „Für viele Beschäftigten ist das eine ganz persönlich Katastrophe.“ 208 Beschäftigte hat das Unternehmen noch, 160 davon sollen auf der Straße landen. Betroffen könnte auch der Zulieferer Galvano mit weiteren 45 Arbeitsplätzen sein, der in der unmittelbaren Nachbarschaft angesiedelt und von Orthopedia stark abhängig ist. Nur die Marke Ortopedia wird bleiben, mit der die Besitzer auch zukünftig auf dem Markt für Rollstühle und Rehabilitationsmittel ein gutes Geschäft machen wollen.

160 Entlassungen hören sich nicht nach viel an, doch in der Region gibt es kaum Aussicht auf Ersatz. Schon gar nicht für die vielen älteren Betriebsangehörigen, so Oetting. „Überall in der Metall- und Elektroindustrie wird entlassen“, meint der Erster Bevollmächtigte der Kieler IG Metall, Wolfgang Mädel, „und weder der öffentliche Dienst noch andere Branchen können das auffangen.“

In der Tat ist die Liste der Stilllegungen und Massenentlassungen lang: Heidelberger Druckmaschinen AG, Caterpillar, HDW, Rheinmetall, um nur die bekannteren Unternehmen zu nennen. Rund 40 Prozent der Jobs sind in der Branche in den letzten 20 Jahren verloren gegangen, und auch die Hoffnungen, die man kurzzeitig in New-Economy-Unternehmen wie Mobilcom, Comdirekt und Infineon gesetzt hatte, sind längst zerstoben. Geblieben sind lediglich ein paar abstoßende Investitionsruinen, die man im Börsenfieber unter Umgehung der öffentlichen Debatte ins Herz der Stadt gesetzt hatte.

Bei Ortopedia diskutiert der Betriebsrat unterdessen weiter, was gegen die Stilllegung unternommen werden kann. Den Vorwurf, man habe Verluste eingefahren, will man nicht ungeprüft hinnehmen, weshalb Einsicht in die Bücher gefordert wird. Seitdem das Unternehmen 1993 vom einstigen Konkurrenten Meyra aufgekauft wurde, habe man bereits über 500 Arbeitsplätze verloren, berichtet Oetting. Zudem sei Ortopedia von der neuen Mutter weiter wie ein Konkurrent behandelt worden. Eine Möglichkeit der Gegenwehr sieht der Betriebsrat in Verhandlungen über einen Sanierungstarifvertrag, aber das werde noch diskutiert. Für die Belegschaft würde das Möglichkeit von Streik und ähnlichen Kampfmaßnahmen gegen die Betriebsschließung eröffnen.

Wolfgang Mädel ist indes nicht sehr optimistisch. Man könne zwar die Politiker auf die Probleme stoßen, so der Bevollmächtigte, doch wenn ein Konzern ein Werk schließen wolle, „dann machen die das, selbst wenn wir Geld dafür anbieten, dass wir arbeiten dürfen.“ Aber immerhin gebe es seit einem Jahr einen Regionalausschuss, indem IHK, Lokalpolitiker und Gewerkschaften über „Standortperspektiven“, Imagekampagne und Belebung des Tourismus diskutieren. Ob das hilft?

(wop)