Gedanken zur Gründung des Aktionsbündnisses für gentechnikfreie Landwirtschaft in Schleswig-Hostein:

Die Welt braucht keine neue Risikotechnologie

Fast unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit sind große Teile der Gesetzesgrundlagen zur Beendigung des Moratoriums gegen Gen-Food geschaffen worden - fast schien es so, als würden diesen Herbst die Weichen für den Anbau im Frühjahr 2004 gestellt, doch es scheint ein Verharren einzusetzen und vielleicht ist ein Besinnen möglich, dass doch noch zu einer Verlängerung des Moratoriums führt.

Wenn ich bedenke, dass kein Gen, das in die Natur eingebracht wird, wirklich rückholbar ist, wenn ich bedenke, dass es um die Ernährungssicherheit aller Wesen nach uns geht, dass unsere Ernährung in die Hände von fünf transnationalen Großkonzernen gerät, dann erschreckt mich die bisherige Desinformation und auch das Desinteresse.

Die unzähligen Kleinbauern in der so genannten dritten Welt spüren, dass sie existentiell bedroht sind, sie empfinden auch schmerzlich den Verlust ihrer traditionsreichen alten Landsorten. Doch wir in der ersten Welt gehen, je nach Überzeugung, in den Bioladen oder zu einer Discount-Kette einkaufen, die Regale sind voll und Ernährungsüberlegungen gelten meist als Öko, aber selten als politisch. Doch unsere Ernährung ist höchst politisch, nicht umsonst wünschte sich Präsident Bush, dass Amerika die Welt ernähre.

Laut Umfragen sind jedoch immer noch 70 bis 80 Prozent der Bevölkerung in der Bundesrepublik und in Europa gegen Gen-Food, und das ist eines der Hauptargumente, warum Nahrungsmittelkonzerne davor zurückschrecken, Gen-Food zu verkaufen. Doch es braucht JETZT Menschen, die dem auch Ausdruck geben.

Eine der wichtigen Botschaften der Veranstaltung zur Gründung des Aktionsbündnisses wurde auch von Graefe zu Baringdorf immer wieder betont: Es braucht den Druck aus der Bevölkerung, um politisch überhaupt noch eine Chance zu haben, den kommerziellen Anbau gentechnisch veränderten Saatgutes zu verhindern.
Ich wünsche mir, dass das Aktionsbündnis für gentechnikfreie Landwirtschaft in Schleswig Holstein dazu beitragen kann.

“Koexistenz” bedeutet Durchsetzung der Gentechnik

Doch der politischen Ansatz, sich auf eine Regelung der Koexistenz einzulassen und mit Haftungsfragen zu jonglieren, ist in meinen Augen unzureichend, inkonsequent und wird den Gefahren dieser Risikotechnologie in keiner Weise gerecht.

Alle Erfahrungen aus den USA, aus Kanada und aus den jüngsten Untersuchungen in Großbritannien zeigen eine Zunahme der Kontaminierung bei ausgedehnter kommerzieller Nutzung transgener Pflanzen.

Und diese Entwicklung ist nicht umkehrbar! Denn kein Mensch kann Gene in der freien Natur wieder einfangen! Und wie kann es folgerichtig eine Koexistenz von genetisch veränderten Pflanzen und gentechnikfreien geben, da die Verbreitung in der freien Natur nicht beherrschbar ist?

Das aber bedeutet schlicht: Entweder wir entscheiden uns gegen eine Freisetzung von GVOs und für eine Nulltoleranz bei Nahrungsmitteln oder aber wir akzeptieren das Ende einer gentechnikfreien Ernährung, denn dies bedeutet eine langfristig flächendeckende Kontaminierung.

Und niemand kann die Auswirkungen dieser gentechnischen Eingriffe in die Natur auch nur ansatzweise absehen - Risikotechnologie ohne doppelten Boden.
Ein friedvolles Nebeneinander - wie es der Begriff 'Koexistenz' suggeriert - von Landwirtschaft mit und ohne Gentechnik ist halt nicht möglich.

(Andrea Kraus)