Dänemarks Linke starten Kampagne gegen EU-Verfassung:

Gegen EU-Supermacht

Thomas Eisler ist Vorstandsmitglied der dänischen Rot Grünen Einheitsliste. Die linkssozialistsiche Partei, die 1989 aus einem Bündnis verschiedener kommunistischer Organisationen hervorgegangen ist, hat bei den letzten Wahlen 2001 2,4 Prozent der Stimmen erreicht und ist mit vier Abgeordneten im Kopenhagener Parlament, dem Folketing, vertreten. Wir sprachen mit ihm über die Haltung seiner Partei zu den nächsten Europawahlen und zur EU-Verfassung.       (wop)

LinX: Einige der in der Europäischen Antikapitalistischen Linken (EAL) zusammengeschlossene Parteien, wie die Revolutionäre Kommunistische Liga aus Frankreich und die Schottische Sozialistische Partei haben eine gemeinsame Plattform für die Wahlen zum Europaparlament im nächsten Juni gebildet. Weshalb beteiligt sich eure Partei nicht?

Thomas Eisler (T.E.): Wir unterstützen die beiden dänischen Bewegungen gegen die EU, die Juni-Bewegung und die Volksbewegung gegen die EU. Beide haben zu den EP-Wahlen Listen aufgestellt. Viele Mitglieder der Einheitsliste sind in diesen Bewegungen aktiv, und auf beiden Wahlvorschlägen finden sich Mitglieder unserer Organisation. Wir wollen keinen Zweifel an unserer Unterstützung für die beiden Listen aufkommen lassen. Außerdem denken wir, dass sie dem großen Teil der dänischen Bevölkerung, der gegen die EU ist bzw. ihr kritisch gegenüber steht, eine Chance gibt, in diesen Wahlen seine Meinung auszudrücken. Davon abgesehen, werden wir während des Wahlkampfes unsere eigenen Ideen publik machen und zur Wahl der Kandidaten aufrufen, die der Einheitsliste angehören.

LinX: Welche Vorschläge habt ihr für die Zukunft der EAL? Gibt es ein gemeinsames Projekt, das ihr vorschlagen würdet?

T.E.: Unserer Meinung nach sollte die EAL zu einem Rahmen für konkrete gemeinsame Aktivitäten werden. Das könnte eine Kampagne gegen den EU-Verfassungsentwurf sein, gegen den EU- Militarismus oder gegen die Angriffe auf die demokratischen Rechte, die als Schutz gegen Terrorismus gerechtfertigt werden.

LinX: Welche Pläne habt ihr in Bezug auf den Verfassungsentwurf?

T.E.: Es wird in Dänemark eine Volksabstimmung über die EU-Verfassung geben, aber der Termin steht noch nicht fest. Auf jeden Fall wird die Frage ab sofort und bis zum Referendum Priorität haben. Unsere wichtigsten Argumente sind folgende: Zunächst denken wir, dass die Verfassung ein großer Schritt rückwärts ist, was die Beteiligung der Menschen in Europa an den politischen Entscheidungen betrifft. Dann sehen wir, dass die EU zu einer Supermacht ausgebaut wird, die ihre Interessen in aller Welt verteidigt, was auch die Militarisierung der Union beinhaltet. Schließlich gibt die Verfassung der neoliberalen Politik der EU einen rechtlichen Rahmen. Für uns kommt es also in der Kampagne gegen den Verfassungsentwurf auch darauf an, soziale Rechte zu verteidigen. Wir haben gerade eine erste Kampagnenzeitung mit einer Auflage von 55.000 Stück herausgebracht.

LinX: Der dänische Widerstand gegen die EU-Mitgliedschaft hat sich in Vergangenheit sehr auf die Frage der Souveränität konzentriert, eine Frage, die nicht besonders als gemeinsame Forderung für die entstehenden internationalen sozialen Bewegungen geeignet ist. Demokratie ist natürlich überall wichtig, aber die Souveränitäts-Konzepte und das entsprechende Massenbewusstsein sind innerhalb der EU von Land zu Land recht unterschiedlich. Welche Schlussfolgerungen zieht die dänische Linke?

T.E.: Souveränität ist für viele Menschen in Dänemark sehr wichtig. Ich glaube, das ist Ausdruck des Demokratieabbaus auf der nationalen Ebene.
Auf europäischer Ebene gibt es bisher außer für eine kleine Elite keinen Raum für eine politische Debatte, das heißt es gibt keine EU-Öffentlichkeit. Da aber Demokratie ohne Öffentlichkeit undenkbar ist, hat sich die Einheitsliste dafür entschieden, dass unser Alternativ-Modell zur EU auf der Zusammenarbeit souveräner Staaten aufbauen wird. Ich gehöre allerdings einer Minderheit in unserer Organisation an, die der Ansicht ist, dass sich dieser Ansatz zunehmend als die falsche Perspektive erweisen wird. Es kommt eher darauf an, wer die Alternative aufbaut, und das sollten, denke ich, die sozialen Bewegungen sein.Die ersten Schritte werden gerade gemacht, indem unter anderem mit den Europäischen Sozialforen ein Raum geschaffen wird, in dem sich von unten eine europäische Öffentlichkeit bildet. Welche Form eine künftige europäische Zusammenarbeit annehmen wird, ist in diesem Zusammenhang wahrscheinlich gar nicht so wichtig. Die internationalen Bewegungen, auch wenn sie noch in einem embryonischen Stadium sind, hauchen der Idee einer sozialistischen Welt, die auf der demokratischen Teilhabe der Arbeiter, der Jugend und der Frauen basiert, neuen Atem ein.