Städtischer Haushalt für 2004 verabschiedet:

Rekorddefizit

Wir haben einen Haushalt, so katastrophal, wie wir es noch nie gehabt haben.“ Gert Meyer von der CDU trug reichlich Dramatik auf, als Mitte Dezember die Ratsversammlung über den Haushalt 2004 beriet. Wie üblich hatte man sich zwei Tage Zeit genommen.

Die nackten Zahlen geben dem CDU-Ratsherren recht: Auf fast 60 Millionen Euro klettert das Defizit im Haushalt 2004. In diesem Jahr waren es noch 25 Millionen Euro gewesen, nach dem man zunächst wie in den Jahren zuvor mit einem ausgeglichenen Haushalt gerechnet hatte.

Das Problem sind vor allem die Einnahmen. Mit 90 Millionen Euro fallen zum Beispiel die Mittel, die die Stadt im Zuge des kommunalen Finanzausgleich erhält, so gering wie seit langem nicht mehr aus. Außerdem sinkt der Gemeindeanteil an der Einkommenssteuer seit zehn Jahren nahezu kontinuierlich. 2004 wir er 49 Millionen Euro ausmachen, 1994 waren es noch 77 Millionen. Auch die Einnahmen aus der Gewerbesteuer sind in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen, zumal der Anteil, den die Stadt abführen muss, erhöht wurde. 1994 mussten 13 Prozent der Gewerbesteuer an Bund und Land weiter gegeben werden, 2003 waren es schon 26,5 Prozent und in den nächsten Jahren wird es noch mehr.

Einkünfte gehen zurück

Strukturell ungünstig ist dabei, dass gut 50 Prozent der Einnahmen von nur drei Betrieben erbracht werden. 84,2 Prozent der 13.294 Betriebe zahlen hingegen keinerlei Gewerbesteuer. Insgesmat geht der Haushalt von einem Rückgang der Einnahmen gegenüber dem Vorjahr von 4,2 Prozent aus. Eingerechnet sind dabei schon die Mindereinnahmen aus dem Vorziehen der Steuerreform, so dass vielleicht mancher Kommunalpolitiker nun im Stillen hofft, das Projekt könnte noch am Streit zwischen Mehrheit und Opposition im Vermittlungsausschuss von Bundestag und -rat scheitern.

Entsprechend dieser düsteren Rahmendaten sieht denn auch der vom Rat mit der Mehrheit von CDU und Grünen verabschiedete Haushalt aus. Investitionen auf ein Minimum heruntergefahren, Ausgaben für die Schulsanierung weit unter Bedarf, Stellenstreichungen und Nachdenken über weitere Privatisierung. Alle Anträge der SPD, die es sich in der Opposition bequem macht, hier und da noch etwas herauszuschlagen, wurden abgeschmettert. Zum Beispiel wird es kein Geld für die Sanierung der bröckelnden Fassade der Gaardener Schwimmhalle geben.

Der ganze Wahnsinn, der allerdings eher im Wirtschaftssystem steckt, als dass man ihn den Kommunalpolitikern vorwerfen könnte, wird daran deutlich, dass allein für Zinsen auf städtische Schulden 21,3 Millionen Euro ausgegeben werden, während für die Schulen nur elf Millionen Euro zur Verfügung stehen.

Streichkonzert

Wie immer wenn es um Kosteneinsparungen geht, fallen den Verantwortlichen vor allem die Personalausgaben ein, die mit 192,4 Millionen Euro tatsächlich einen der größten Posten im Haushalt ausmachen. 195 Planstellen sollen im kommenden Jahr gestrichen werden. Mit den neueingerichteten Stellen vor allem im Bereich der Kitas ergibt sich unterm Strich ein Minus von 171 Vollzeitstellen, wobei auch städtische Eigenbetriebe wie die Abfallwirtschaft und das Städtische Krankenhaus berücksichtigt sind. Nur einem, nämlich dem Personalratsvorsitzenden Volker Rudnik, fiel in der Ratsdebatte auf, dass ganz überwiegend die Bezieher niedriger Einkommen betroffen sein werden, und zwar vor allem Putzfrauen in den Schulen und Arbeiter beim Grünflächenamt. Auch in der Abfallwirtschaft wurden Stellen gestrichen.

Damit nicht genug werden im Vorbericht zum Haushalt, der sich unter anderem mit dem (sehr trüben) Ausblick auf künftige Einnahmen auseinandersetzt, Überlegungen angestellt, die städtischen Aufgaben auf ein Minimum runterzufahren und Leistungen viel mehr als in der Vergangenheit von privaten Anbietern „einzukaufen“. Nach allen Erfahrungen der Vergangenheit würde das für die Beschäftigten, so sie denn in den privaten Unternehmen eine neue Beschäftigung finden, Gehaltseinbußen, verstärkte Arbeitsintensität und geringeren gewerkschaftlichen Schutz bedeuten.

Der neue Dienstwagen

Was die Lage für diejenigen, die unter der Haushaltslage zu leiden haben, besonders unerträglich macht, ist der Stil der neuen Oberbürgermeisterin. Die geplante Dienstreise nach China, die die SPD moniert, mag man ihr ja noch durchgehen lassen. Vielleicht kommt tatsächlich etwas für die Kieler Wirtschaft dabei herüber. Immerhin ist die Volksrepublik inzwischen einer der Motoren der Weltwirtschaft, und Schleswig-Holstein hat schon in den vergangenen Jahren im  Bundesdurch- schnitt überdurchschnittlich viel nach Ostasien exportiert. Aber muss es in Zeiten klammer Kassen tatsächlich gleich ein neuer Dienstwagen mit eingebautem Büro sein. Und braucht man wirklich einen eigenen Pressesprecher, der das Gehalt von fünf oder sechs Putzfrauen verdient?

Umverteilen

Aber das sind natürlich Randaspekte, die nur aufgrund der Umstände besonders unangenehm auffallen. Das Grundproblem ist die Frage der Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums. Im Gegensatz zur Einwohnerschaft ist die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten in Kiel in den letzten Jahren nur sehr geringfügig zurückgegangen, und zwar um rund viertausend. Der Anteil der Erwerbstätigen an der Bevölkerung ist somit leicht gestiegen. Hinzu kommt, dass hierzulande für gewöhnlich die Produktivität um ca. zwei Prozent pro Jahr wächst. Mit anderen Worten: Anders als die leeren Kassen vortäuschen, ist in Kiel nicht weniger, sondern eher mehr erwirtschaftet worden. Das Problem ist die Umverteilung der Steuereinnahmen zu Gunsten des Bundes und besonders die steuerliche Entlastung der höheren Einkommen und der Gewinne. Eine Kommunalpolitik, die mehr als Elendsverwaltung betreiben will, müsste sich dieses Dilemma eingestehen und zusammen mit anderen Städten und Gemeinden politischen Druck für eine grundsätzliche Umkehr in der Steuerpolitik erzeugen.

Doch davon sind die Rathausparteien meilenweit entfernt. Ihnen fällt nichts anderes ein, als Anreize für Unternehmen, Dienstreisen für Wirtschaftsinteressen, der Verkauf des letzten Familiensilbers und die Ausrichtung des gesamten öffentlichen Lebens auf Wirtschaftsförderung. Der Neoiliberalismus hat die Köpfe der Ratsherren und -frauen im festen Griff. Stadtteile wie die Wik oder Gaarden verelenden und verwahrlosen zunehmend, während gleichzeitig Millionen für die Subventionierung des laufenden Betriebes des Flughafens Holtenau zur Verfügung stehen (vom Ausbau gar nicht zu reden).

(wop)