Ratssplitter

Man soll es nicht glauben, aber der Bahnhof soll tatsächlich nächstes Jahr eingeweiht werden. Das meinte jedenfalls der verkehrspolitische Sprecher der SPD-Ratsfraktion in der Dezembersitzung der Ratsversammlung, die wegen der Haushaltsberatungen gleich an zwei Tagen, den 11. und 12., zusammen trat. Man strebe die Kieler Woche als Termin an. Wir sind sehr gespannt.

Bereits seit dem Sommer lässt die Stadt die wenigen, die bei ihr einen Arbeitsplatz ergattern können, gründlich durchleuchten: Bewerber müssen nicht nur ihre Krankengeschichte darlegen, sie werden auch einer ärztlichen Musterung unterworfen und müssen Blut- und Urinproben abgeben. Drogenkonsumenten (wozu man natürlich auch Hanfprodukte aber nicht Alkohol zählt) und Dicke (sic!) will man auf diese Art fern halten. Ausdrücklich heißt es in einem Merkblatt, das der LinX vorliegt, dass bei „extremen Übergewicht“ keine Einstellung erfolge. Wahrscheinlich hält man Dicke für standort- oder zumindest imageschädigend, wo doch die so auf Repräsentation bedachte Oberbürgermeisterin gerade ihre „Standortoffensive“ gestartet hat, die sie demnächst bis nach China führen soll. (Der Posten Reisekosten ist einer der wenigen, der im Haushalt 2004 kräftig zugelegt hat, und zwar um 200 Prozent.)

Als vor Jahr und Tag der Sophienhof abgerissen wurde, jener von Fachleuten gelobte alte Jugendstil-Komplex am Bahnhof, der dem jetzigen Konsum-Klotz seinen Namen gab, hätten die Zyniker, die sich das ganze ausgedacht hatten es schon wissen können: Der neue Kaufrauschtempel würde den Geschäften in der Holstenstraße Konkurrenz machen, wahrscheinlich tödliche Konkurrenz. Zwischenzeitlich haben die Verlagerung des Oslo-Kais und allgemeine Kaufunlust aufgrund wachsender Armut ihr übriges getan: Die Holstenstraße kämpft an einigen Ecken bereits gegen Verödung, viele Geschäfte haben Schwierigkeiten, sich zu halten. Das hat SPD und CDU auf den Plan gerufen, um Aktivität zu simulieren. Die Holstenstraße müsse überdacht werden, um die Attraktivität der Läden zu erhöhen. CDU und Grüne erteilten der Oberbürgermeisterin den Auftrag die Geschichte zu prüfen, bezahlen sollen private Investoren. Die SPD schlug immerhin noch vor, das

Ganze erst einmal mit den Geschäftsleuten zu diskutieren, was die Mehrheitsfraktionen allerdings für überflüssig hielten.

Kiel bekommt keinen Ernst-Busch-Weg. Der Weg hinter der Gaardener Schwimmhalle, der die Fußgängerbrücke mit Schulstraße und Vinetaplatz verbindet, soll lieber Pastor-Gosch-Weg heißen, meinte die Ratsversammlung einstimmig. Auch tote Kommunisten, und seien sie noch so herausragende Künstler gewesen, machen den Ratsfrauen und -herren genug Angst, so dass man ihrer lieber nicht gedenken will.

Die städtischen Liegenschaften, das heißt, die diversen Grundstücke, Wohnhäuser und sonstige Gebäude sollen in einem sogenannten Immobilienmanagement zusammengefasst werden. Vordergründig geht es lediglich um bessere Verwaltung und Bewirtschaftung. Alle Ratsfraktionen waren voll des Lobes, und Kai-Uwe Lindner von der SPD-Fraktion ließ schon mal durchblicken, wohin die Reise gehen soll: „Wir werden in vielleicht zehn Jahren über die Privatisierung des Immobilienmanagement diskutieren.“ Es geht immerhin um ein paar Hundert Millionen Euro. Noch ist offensichtlich nicht das letzte Familiensilber verhökert.

(wop)