auf & davon

In LinX 18/03 berichteten wir über die Flüchtlingsproteste in der Neumünsteraner Kaserne. Der junge Iraker, der dort einen Hungerstreik begann, um u.a. seiner Forderung nach einer schnellen Umverteilung Nachdruck zu verleihen, ist jetzt im Dezember nach Henstedt-Ulzburg umverteilt worden. Dies ist wie eingeweihten Kreisen bekannt ist, die mit Abstand schlechteste Unterkunft in Schleswig-Holstein. Der junge Mann weigerte sich dort zu bleiben und verbrachte die frostige Nacht draußen vor dem Rathaus in Henstedt-Ulzburg. Die Polizei fand ihn dort und brachte ihn mit Unterkühlungen zum Arzt. Er wurde später wieder draußen in der Stadt bewusstlos gefunden und in ein Krankenhaus gebracht. Wie es mit ihm weiter geht, war zum Redaktionsschluss nicht bekannt. Fest steht auf jeden Fall, dass solche Missstände abgeschafft gehören. Eine Unterstützergruppe für die Flüchtlinge in Henstedt-Ulzburg gibt es leider nicht.

Anlässlich des Tages der Menschenrechte erklärte Bernd Mesovic von PRO ASYL: "Über die Verbesserung der Legehennenhaltung wird in Deutschland intensiver debattiert als über menschenwürdige Wohn- und Lebensumstände für Flüchtlinge. Vor gut 20 Jahren wurde die zwangsweise Lagerunterbringung von Flüchtlingen im Asylverfahren geregelt. Trotz zurückgehender Asylantragstellerzahlen hat sich seitdem nichts an der oft menschenunwürdigen Unterbringungspraxis geändert. Zum Teil geht die Entwicklung geradezu in die gegenteilige Richtung. Immer mehr Menschen werden in der Bundesrepublik auf Dauer in Flüchtlingslagern und ähnlichen Einrichtungen untergebracht, auch wenn sie nicht mehr den Status Asylsuchender haben. In Bayern werden Menschen, die bereits in Privatwohnungen gelebt haben, zum Umzug in Sammelunterkünfte gezwungen - ohne Rücksicht auf humanitäre Belange. Niedersachsen plant die Unterbringung aller Asylsuchenden während der gesamten Verfahrensdauer in landeseigenen zentralen Großunterkünften. Zwei Jahrzehnte Lagerunterbringung haben die Institution Lager vom Unterbringungsprovisorium zur etablierten Regeleinrichtung der Abschreckungspolitik gemacht, in der Entrechtung und Desintegration der Normalzustand sind. Jahrelange Lagerunterbringung hinterlässt Verletzungen an Leib und Seele. Das Zuwanderungsgesetz, angekündigt als die modernste Zuwanderungsregelung Europas, kennt hinsichtlich der Unterbringung von Flüchtlingen nur eine Richtung der Phantasie: mehr Lager. Es sieht als zusätzliche Unterbringungsform so genannte Ausreiseeinrichtungen vor, ein eArt Beugehaft mit Freigangsmöglichkeit. Lager stehen für Ausgrenzung. Angesichts einer Politik, die Entmündigung in Lagern ebenso ausweitet wie sie die menschenunwürdige Praxis deutscher Abschiebungshaft ohne jeden Reformgedanken als gegeben hinnimmt, ruft PRO ASYL zum energischen Protest gegen solche Formen des Lagerdenkens auf."

(gho)