Überall Aktionen gegen Sozial- und Bildungsabbau:

Aufbruchstimmung

Es ist wohl nicht ganz der Ruck gewesen, den sich ein Ex-Bundespräsident einst erhofft hatte, aber im Lande hat sich etwas geändert. Nach der großen  bundes- weiten Demonstration gegen den umfassenden Sozialraub der „Agenda 2010“ sprießen allenthalben örtliche Bündnisse aus dem Boden. In einigen  Landeshaupt- städten gab es zum Teil massive Proteste gegen den jeweiligen Landeshaushalt. In Berlin haben am 13. Dezember 30.000 Studenten und andere gegen Bildungs- und Sozialabbau demonstriert. Noch einmal die gleiche Zahl demonstrierten am gleichen Tag in Leipzig und Frankfurt. In Berlin war die Initiative von den Studenten der verschiedenen Hoch- und Fachhochschulen ausgegangen, die sich den ganzen Dezember über im Streik befanden. Im Januar geht der Streik an den meisten Unis weiter. Bundesweit befinden sich inzwischen mehrere Dutzend im Streik, denn die Öffentlichen Kassen sind überall klamm und an den Unis soll gestrichen werden. Besonders die CDU regierten Bundesländer denken dabei auch besonders laut über die Einführung von Studiengebühren nach. In Hamburg wird zum Beispiel die HWP bestreikt, die geschlossen werden soll. Die Uni plant für die Zeit nach Redaktionsschluss zwei Tage Warnstreik und wollte am 13. Januar auf einer Vollversammlung über Vollstreik abstimmen.

Das besonders erfreuliche an den Aktionen ist, dass es zu einer nie zuvor gesehenen Verbindung zwischen studentischen und gesellschaftlichen Protest kommt. In Berlin hat sich zum Beispiel ein gemeinsames Bündnis gegen Bildungs- und Sozialraub gegründet, dass zur ersten Lesung des Berliner Landeshaushaltes am 15. Januar eine größere Demo vorbereitet. Die PDS-SPD-Regierung hat es tatsächlich binnen kurzem geschafft, nahezu ihr gesamtes Klientel gegen sich aufzubringen. An den Unis wird massiv gestrichen, Kitas werden privatisiert und die Gebühren erhöht, die Wasserwerke sollen verkauft werden und bei den öffentlichen Betrieben will man bis zu 30 Prozent des Lohn- und Gehaltes kürzen. Besonders in den Verkehrsbetrieben schwankt daher die Stimmung zwischen schwerer Depression und explodierender Wut. Die Forderungen des Berliner Bündnisses sind unter anderem die Einführung der Vermögenssteuer und kommunale Einkommenssteuer, die Einstellung der Zinszahlungen und Schuldenerlass für Berlin. Außerdem wird einmal mehr die Garantieerklärung Berlins für die gut verdienenden Fondzeichner der Bankgesellschaft kritisiert. Mit bis zu 21,6 Mrd. Euro garantiert auf Beschluss von PDS, SPD und CDU das Land Berlin privaten Anlegern die Rendite in windigen Immobilienfonds, die von der inzwischen quasi bankrotten landeseigenen Bankgesellschaft aufgelegt worden waren.

In verschiedenen Städten werden von den neuen Bündnissen Konferenzen vorbereitet, so zum Beispiel in Berlin oder auch in Bremen, wo schon Mitte Februar eine „Aktionskonferenz gegen Bildungs- und Sozialabbau“ stattfinden soll. Mancherorts fangen auch die Schüler an sich zu regen, die man in den letzten zwei Monaten kaum bei den von den Studierenden organisierten Bildungsdemos gesehen hatte. In Oldenburg (Niedersachsen) wird es am 30. Januar, dem Tag der Zeugnisvergabe eine Demonstration geben. Gefordert wird unter anderem gemeinsamer und notenfreier Unterricht mindestens bis zur achten Klasse und mehr Geld für Bildung statt für Bomben, kein Eurofighter, Militär raus aus Schulen. Unterdessen plant der freie zusammenschluss der studierendenschaften (fzs), in dem die eher linken Studentenvertretungen organisiert sind, vom 30. Januar bis zum 1. Februar eine Bundesbildungstagung in Frankfurt a.M.

Zusammenfließen werden die diversen Proteste auf einer Aktionskonferenz am 17. und 18. Januar ebenfalls in Frankfurt am Main. Organisiert wird sie von Sozialhilfe- und Arbeitsloseninitiativen, den Anti-Hartz-Bündnissen, Attac, der Vernetzungsinitiative der Gewerkschaftslinken und anderen. Eingeladen sind unter anderem auch Umweltgruppen und Gewerkschaften. Die Idee war auf einer ersten Aktionskonferenz im Dezember entstanden, auf der die Demonstration vom ersten November ausgewertet wurde und unten stehen Aufruf für weitere Aktionen verabschiedet wurde. Auf der Januarkonferenz, zu der 600 Teilnehmer erwartet werden, wird unter anderem auch über die europäischen Aktionstage gegen Sozialabbau gesprochen werden.

Für die steht inzwischen der 2. und 3. April fest. Das europäische Sozialforum hatte einen Aktionstag auf Drängen deutscher Delegierter beschlossen, die Festlegung des Termins jedoch dem Europäischen Gewerkschaftsbund überlassen, der sich entsprechend festgelegt hat. In Deutschland wollen sich vor allem IG Metall und ver.di beteiligen, der DGB wird erst am 20. Januar entscheiden, ob er mitmacht.

(wop)