Kernspalte

Die Weihnachtszeit und der Jahreswechsel ging auch diesmal nicht ohne Störfälle an Atomreaktoren vorüber. Das ukrainische AKW Riwne musste gleich zweimal abgeschaltet werden, im Dezember wegen eines defekten Dampfgenerators, im Januar wegen eines Transformatorbrands. Über Weihnachten konnte der älteste spanische Reaktor "Juan Cabrera" nach Reparaturarbeiten nicht wieder hochgefahren werden, weil eine 2,5 cm große Schraube fehlte. Da sie nicht gefunden werden konnte, blieb nicht ausgeschlossen, dass sie im Reaktorkern empfindliche Teile beschädigen könnte. Zuletzt hatte auch die Kühlleistung unter den technischen Vorgaben gelegen, ein Grund, warum Umweltschützer verlangten, den Reaktor endgültig stillzulegen. Kurz vor Silvester stellten Ingenieure in Neckarwestheim ein Leck an einer Entlüftungsleitung des Druckbehälters fest, die Anlage wurde für mehrere Tage vom Netz genommen. Frankreichs Atomaufsicht hat erhebliche Sicherheitsmängel an den Druckwasserreaktoren des Staatskonzerns EdF eingeräumt, die im Prinzip aber alle ähnlichen Reaktoren weltweit, auch die deutschen, betreffen. Es geht um ein Szenario, bei dem nach dem Bruch der Primärkühlleitungen die Filteranlagen des Notkühlsystems verstopfen könnten und eine Kernschmelze dann wahrscheinlich wird. Unmittelbare Folgen hat diese Erkenntnis allerdings nicht. EdF soll bis Ende April Lösungsvorschläge unterbreiten und mit der Umsetzung ab 2005 beginnen.

Nach einer langen Zwangspause ging am 6. Januar dafür Biblis A wieder ans Netz. Der Reaktor war in den vergangenen neun Monaten wegen eklatanter Sicherheitsmängel u.a. im Bereich der Filtersiebe (s.o.) teilweise umgebaut worden, in der Zeit wurde aber auch die jährliche Generalüberholung und ein Brennelementewechsel durchgeführt. Die bloße Zahl von 7.500 durchgeführten Arbeiten belegt aber nicht das Verantwortungsbewußtsein der Betreiber (RWE), sondern auch nach Meinung des BMU nur eine viel zu späte Reaktion auf angehäufte Sicherheitsdefizite.

Seit Dezember sind auch alle 12 beantragten Zwischenlager an den Reaktorstandorten genehmigt und werden, soweit noch nicht geschehen, fertiggestellt. Das hat u.a. die Auswirkung, dass wesentlich weniger Atomtransporte stattfinden werden, der Betrieb also ungestörter weiterlaufen kann.

Immer noch steht nicht fest, ob China die Hanauer Plutoniumfabrik kriegt. Die von einigen Grünen vorgebrachten Einwände sind jedenfalls völlig irrelevant, soweit es um die waffentechnische Nutzung geht: Das ist für China eine reine Preis- und Mengenfrage, keine Proliferation. Eine Kontrolle dieser Nutzung wäre nicht nur teuer - und zwar für die Bundesregierung, denn weder die IAEA noch China wollen sie bezahlen -, sondern auch überflüssig. Der Fehler ist, dass die Anlage überhaupt gebaut wurde, doch das lässt sich nicht mehr rückgängig machen. Da auch in Deutschland keineswegs der Ausstieg aus der Atomspaltung vollzogen wurde, erscheint die moralisierende Diskussion reichlich aufgesetzt. China plant im Übrigen, seine Atomstromproduktion bis 2020 zu vervierfachen (auf 36 Gigawatt), Nachbar Indien hat 10 selbstentwickelte Atomreaktoren im Bau, der Grundstein für eine Verachtfachung des Atomstroms im gleichen Zeitraum auf immerhin 20 GW. Angaben aus Pakistan liegen noch nicht vor. Finnlands nunmehr beantragter EPR-Neubau soll alleine 1,6 GW produzieren, und das 60 Jahre lang. Atomkraft wird also vermutlich die meisten von uns noch mindestens um Jahrzehnte überleben.

(BG)