Kommentar:

Streichwettbewerb

Das Jahr hat ja wieder gut angefangen: Kurz vor Weihnachten bescherte uns eine große Koalition die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe (Ab 2005 wird es für Arbeitslose also nur noch 345 bzw. im Osten 331 Euro monatlich geben) und jede Menge weitere Nettigkeiten. Zehn Euro müssen wir nun für einen Arztbesuch berappen und die Rentner „dürfen“ künftig den vollen Beitrag zur Krankenkasse zahlen.

Wer allerdings gemeint hat, nun sei das Ende der Fahnenstange erreicht, der wurde schnell eines besseren belehrt: Anfang Januar veröffentlichte ein Grundsatzpapier zur Bildungspolitik. Qunitessenz: Alles wird auf die ökonomische Wettbewerbsfähigkeit ausgerichtet, das Bildungssystem den Erfordernissen des „Standort Deutschlands“® untergeordnet und: “Wir wollen ...Spitzenhochschulen ... etablieren”

Das in einer Situation, wo allenthalben an den Bildungsetats herumgestrichen und die Einführung von Studiengebühren betrieben wird. Auch im Biuldungssektor soll umverteilt werden: von der Bildung für alle hin zur Eliteförderung und Forschung mit unmittelbarem Nutzen für die Wirtschaft. Es ist daher erfreulich, dass sich in vielen Städten seit Dezember die Studentenproteste mit denen anderer gesellschaftlicher Gruppen, die ebenfalls von Kürzungen und Sozialabbau betroffen sind, verbindet. Bleibt zu hoffen, dass sich auch in Kiel endlich mehr in dieser Richtung bewegt. Demnächst stehen die europäischen Aktionstage gegen Sozialabbau am 2. und 3. April an, für die entsprechende Bündnisse geschmiedet werden müssten.

Wie nötig die Aktionstage sind, machte Anfang Januar jenseits des Rheins Präsident Chirac einmal mehr deutlich, in dem er seine „Agenda 2010“ à la française ankündigte: Steuergeschenke für die Unternehmen, Förderung der Scheinselbständigkeit, Ausweitung der befristeten Arbeitsverhältnisse, Kürzungen  Arbeitslosen- unterstützung und „Kostendämpfung“ im Gesundheitswesen. Und Ziel des Ganzen? Richtig, Frankreich soll wettbewerbsfähiger werden. Offensichtlich haben die EU-Staaten ein Wettrennen um die niedrigsten Sozialausgaben und vor allem – das ist des Pudels Kern – um die niedrigsten Steuern und Lohnkosten gestartet. Wetten, dass man uns demnächst das französische Beispiel unter die Nase reiben und weiteren Sozialraub organisieren wird?

(wop)