Kernspalte

Heute geht's wieder um Verwindungen und Verwachsungen der Jurisdiktion. Zu Grenzfällen aus polizeilichen Vermutungen, Verdächtigungen und Verhinderungen kommt es immer wieder im Landkreis Lüchow-Dannenberg, für den das Verwaltungsgericht Lüneburg oberinstanzlich zuständig ist. Dieses urteilte im Dezember, ein Aufenthaltsverbot (i.d.F. gegen eine Demonstrantin) mitsamt polizeilicher Zwangsmaßnahme sei gerechtfertigt gewesen, weil die Polizei "annehmen durfte", dass die Frau auf dem Weg zu einer Straftat sei, womit der Besuch eines von der Bezirksregierung verbotenen Camps gemeint war. Die Frau habe sich auch verdächtig gemacht, an einer verbotenen Schienenbesetzung teilnehmen zu wollen, weil sie "Schlafsack, Isomatte und Proviant" dabei hatte.

Für die sehr schleppende Bearbeitung bei Ingewahrsamnahmen beim letzten Castor-Transport nach Gorleben haben sich im niedersächsischen Landtag Polizei/BGS und Amtsrichter gegenseitig die Schuld zugeschoben. Ein Rechtsanwalt: "Teilweise mussten die festgesetzten Personen über zehn Stunden auf ihre mündliche Anhörung warten." Die dann teilweise gar nicht mehr stattfand. Innenminister Schünemann rechtfertigte die Verzögerungen u.a. mit "geringen Geschwindigkeiten" beim Abtransport wegen der "Transportsicherung", Umwegen und einem Ausfall der Software "GeSa 2000". In einem vergleichbaren Fall aus 2001, wo auch die richterliche Anhörung ausblieb, hat eine Abtransportierte wegen der Behandlung in der GeSa Neu-Tramm im Jahre 2001 mal geklagt und 200 Euro Schmerzensgeld verlangt. Die noch ausstehende Entscheidung könnte - so die Angst der Bezirksregierung - Vorbild für eine Flut von teuren Folgeverfahren sein.
Ein argentinischer Richter hat einem US-Frachter mit hochradioaktiven Abfällen aus einem kalifornischen Atomkraftwerk die Durchfahrt durch argentinische Hoheitsgewässer (Magellanstraße) auf Antrag der Provinz Chubut (Patagonien) untersagt. Die Provinzregierung erfuhr von dem Transport nicht durch US-Amerikaner, sondern durch Umweltschützer!

In Österreich dagegen haben die Behörden ihre bisherige wohlwollende Haltung gegenüber den Temelin-Grenzprotesten geändert. Sie verboten jetzt eine für den 17. Januar geplante Aktion am Grenzübergang Neu-Nagelberg. Die Anti-Atom-Plattform "Stopp Temelin" drohte mit Protesten vor dem Bundeskanzleramt. Konstruktiver wäre es gewesen, an diesem Tag nach Paris zu fahren, wo über 10.000 Menschen an der Großdemonstration gegen die Renaissance der Atomenergie teilnahmen. Hauptobjekt des Protests war der geplante Bau des europäischen Druckwasserreaktors EPR in Finnland durch ein deutsch-französisches Joint-Venture. Daneben richteten sich die Demonstranten aber auch gegen die Pläne für einen Ausbau der Atomenergie in Frankreich. Soviel Anti-Atom-Engagement in unserem Nachbarland gab es bisher noch nie.

Die tschechische Regierung hat ihre Pläne zum Ausbau des umstrittenen Kraftwerks Temelin auf 4 Blöcke mittlerweile zurückgenommen, die Sicherheit der Anlage wird aber von anderer Seite bedroht: Der Motivation der Mitarbeiter. Die sind nämlich mit ihren Löhnen nicht zufrieden. Am 20. Januar demonstrierten sie erstmals - zusammen mit Arbeitern aus dem zweiten AKW Dukovany - für 8% mehr Geld, zumal sie nach der Entlassung von einigen Hundert Beschäftigten deutlich mehr zu tun hätten. Das Unternehmen bot 5% an. Aber auch 100% hätten sicher nur unwesentlich dazu beigetragen, Temelin aus der KERNspalte herauszuhalten.

 (BG)