Weltsozialforum in Mumbai:

Globalisieren wir die Hoffnung

Am 21.Januar ging im indischen Mumbai (ehemals Bombay) das vierte Weltsozialforum zu Ende. Wie üblich wurde es von einem Forum der sozialen Bewegungen abgeschlossen, auf dem nachfolgender Text verabschiedet wurde, den wir leider erst jetzt bekommen haben. Hunderte Bewegungen, Organisationen und soziale Netzwerke aus aller Welt, haben diesen Appell unterschrieben.

Wir sozialen Bewegungen, die sich in der Stadt Mumbai getroffen haben, unterstützen die Kämpfe des indischen Volkes ebenso, wie die der asiatischen Völker und bekräftigen unsere Opposition zum neoliberalen System, welches ökonomische, soziale und ökologische Krisen hervorruft und zum Krieg führt. Unsere Mobilisierung gegen den Krieg sowie die tiefen sozialen und ökonomischen Ungerechtigkeiten haben den Neoliberalismus entlarvt.

Wir haben uns hier versammelt, um den Widerstand zu organisieren und um darum zu kämpfen, Alternativen zum Kapitalismus aufzubauen. Unser Widerstand, der in Chiapas, Seattle und Genua  begann, hat uns am 15. Februar 2003 zur weltweiten Mobilisierung gegen den Krieg im Irak geführt. Letzterer hat die Strategie des globalen und permanenten Krieges der Vereinigten Staaten und ihrer Verbündeten jegliche Legitimität entzogen. Dieser Widerstand führte auch zum Sieg gegen die WTO in Cancun.

Die Besetzung des Irak hat der ganzen Welt gezeigt, welches Band zwischen Militarismus und der ökonomischen Herrschaft transnationaler Konzerne existiert. Sie rechtfertigte unsere Gründe zur Mobilisierung.

Wir sozialen Bewegungen bekräftigen erneut unseren Willen gegen neoliberale Globalisierung, Imperialismus, Krieg, Rassismus, Kasten, Kulturimperialismus, Armut, Patriarchat und alle Formen der Diskriminierung und des ökonomischen, sozialen, ethnischen,  geschlechtlichen Ausschlusses zu kämpfen. Wir sind gegen die Diskriminierung von Menschen, die andere Gewohnheiten und unheilbare Krankheiten haben, besonders gegen die Diskriminierung derjenigen, die unter HIV-AIDS zu leiden haben.

Wir kämpfen für soziale Gerechtigkeit, für das Recht auf die natürlichen Ressourcen (Erde, Wasser und Saatgut), für die Menschen-  und Bürgerrechte, für eine partizipative Demokratie, für die Rechte der Arbeiterinnen und Arbeiter, die durch internationale Vereinbarungen garantiert werden, für die Rechte der Frauen, für die Rechte der Völker auf Selbstbestimmung. Wir sind Partisanen des Friedens, der internationalen Kooperation und wir setzen uns für erträgliche Gesellschaften ein, welche die Grundrechte sowie die öffentlichen Güter und Dienstleistungen für die Menschen garantieren.

Gleichzeitig lehnen wir die soziale und patriarchale Gewalt gegen die Frauen ab.

Wir rufen zur Mobilisierung für den 8. März auf, zum internationalen Tag der Rechte der Frauen.

Wir kämpfen gegen jede Form des Terrorismus, einschließlich des Staatsterrorismus. Gleichzeitig sind wir gegen die Führung des "Kampfes gegen den Terrorismus" um Volksbewegungen und soziale Aktivisten zu kriminalisieren. Die so genannten Gesetze gegen den Terrorismus schränken die zivilen Rechte und die demokratischen Freiheiten auf der ganzen Erde ein. Wir unterstützen den Kampf der Bäuerinnen und Bauern, der Arbeiterinnen und Arbeiter, der städtischen Bewegungen der Bevölkerung und jeder Person, die bedroht ist, ihr Haus, ihre Arbeit, ihr Land und ihre Rechte zu verlieren. Es mehren sich die Kämpfe, um die Privatisierung aufzuhalten und zu vernichten, um die öffentlichen Güter und ihren öffentlichen Charakter zu schützen (beispielsweise jene, die in Europa als Renten und soziale Sicherheiten ihren Platz gefunden haben). Der Sieg einer gigantischen Mobilisierung durch das bolivianische Volk zur Verteidigung seiner natürlichen Ressourcen, der Demokratie und seiner Souveränität, ist ein Zeugnis der Kraft und der Macht unserer Bewegungen. Gleichzeitig schreiten die Kämpfe der bäuerlichen Schichten gegen die transnationalen Konzerne und die neoliberalen Konzepte einer Agrarpolitik voran,  mit ihren Forderung nach Nahrungsmittelsouveränität und einer demokratischen Agrarreform.

Wir rufen zur Einheit auf mit den Bäuerinnen und Bauern in der weltweiten Mobilisierung für den 17. April, zum internationalen Kampftag der Bauern.

Wir identifizieren uns mit den Kämpfen der Bewegungen und der indischen Organisationen der Bevölkerung und mit ihnen verurteilen wir die politischen Kräfte und Ideologien, welche die Gewalt, das Sektierertum, Ausschluss und Nationalismus auf ethnischer und religiöser Basis fördern. Wir verurteilen Bedrohungen, Verhaftungen, Folter und Mord sozialer Aktivisten, die ihre Gemeinschaft organisieren, um für globale Gerechtigkeit zu kämpfen und wir verurteilen die Diskriminierung durch die Kasten, durch die Klassen, durch die Religionen, die Diskriminierungen des Geschlechts, der sexuellen Orientierung und der geschlechtlichen Identität. Wir verurteilen die Perpetuierung der Gewalt und der Unterdrückung gegen Frauen durch kulturelle und  religiöse Praktiken sowie diskriminierenden Traditionen.

Wir unterstützen die Anstrengung der Bewegungen und Organisationen der indischen und asiatischen Bevölkerungen, welche die Kämpfe der Völker für Gerechtigkeit, Gleichheit und Menschenrechte vorantreiben. Insbesondere die der Dalit (den Unberührbaren), der Adivasi (indische Indigene) und der am meisten unterdrückten Schichten in dieser Gesellschaft. Die neoliberale Politik der indischen Regierung verschärft die Ausgrenzung und soziale historische Unterdrückung, welche die Dalit erleiden.

Deshalb unterstützen wir die Kämpfe der Ausgeschlossenen auf der ganzen Welt und rufen dazu auf, sich dem Appell der Dalit zu einem Tag der Mobilisierung für die soziale Einbindung anzuschließen.

Als Antwort auf die Krise seiner Legitimität greift der Kapitalismus zur Anwendung von Gewalt und Krieg zurück, um eine gegen die Bevölkerung gerichtete ökonomische Ordnung aufrechtzuerhalten. Wir verlangen, dass die Regierungen dem Militarismus und Krieg ein Ende setzen, dass sie ihre Militärbudgets streichen, wir verlangen die Schließung aller nordamerikanischen Militärbasen auf der ganzen Welt, da sie ein Risiko und eine Bedrohung für die Menschheit und den Planeten darstellen. Wir müssen dem Beispiel der Kämpfe des puertoricanischen Volkes folgen, das die USA zwang, die Militärbasis von Vieques aufzugeben. Die Opposition gegen den globalen Krieg ist weiterhin unser Terrain der allgemeinen Mobilisierung in der Welt.

Wir fordern die Bürger der Welt auf, für den 20. März zu mobilisieren als internationaler Protesttag gegen den Krieg sowie gegen die Besetzung des Irak, die von den Regierungen der USA, Großbritanniens und ihren Verbündeten ausgehen.

Deshalb werden die Bewegungen gegen den Krieg in jedem Land ihre Tagesordnung und ihre Taktik zu dem Zweck  entwickeln, eine breite Teilnahme an der Mobilisierung sicherzustellen. Wir verlangen den sofortigen Rückzug der Okkupationstruppen im Irak und unterstützen das irakische Volk in seinem Recht auf Selbstbestimmung und Souveränität, wie auch in seinem Recht auf Entschädigung der Schäden, die Krieg und Okkupation verursacht haben. "Der Kampf gegen den Terrorismus" dient nicht nur als Vorwand, um Krieg und Besatzung im Irak und Afghanistan am Leben zu erhalten, sondern auch als Mittel, die Völker zu bedrohen und Aggressionen gegen sie zu verüben. Zur gleichen Zeit wird die kriminelle Blockade gegen Kuba und die Strategie zur Destabilisierung Venezuelas aufrechterhalten.

Dieses Jahr rufen wir dazu auf, mit aller Kraft die Mobilisierung zu Gunsten des palästinensischen Volkes zu unterstützen, v.a. für den 30. März, dem Tag der palästinensischen Heimat, um das Recht der Flüchtlinge auf Rückkehr einzufordern und gegen den Bau der Mauer zu protestieren.

Wir verurteilen den Imperialismus, der religiöse, ethnische und Stammeskonflikte zu seinem Vorteil schürt und somit den Hass, die Gewalt und die Leiden der Völker vergrößert. Mehr als 80% der 38 bewaffneten Konflikte auf der Welt im Jahr 2003 waren innere Konflikte. Sie treffen hauptsächlich die Völker Asiens und Afrikas.

Wir verurteilen den zwanghaften Gebrauch einer unerträglichen Verschuldung der armen Länder des Planeten durch Regierungen, transnationalen Konzernen und internationalen Finanzinstitutionen. Wir lehnen die illegitimen Schulden der dritten Welt ab und fordern ihre bedingungslose Streichung und die Wiedergutmachung ökonomischer, sozialer und ökologischer Schäden als Vorbedingung, um die volle Zufriedenstellung ihrer Rechte zu erreichen. Wir unterstützen v.a. die Kämpfe der sozialen Bewegungen in Afrika.

Deshalb erheben wir unsere Stimme gegen den G8-Gipfel, den Weltwährungsfond und die Weltbank als hautsächlich Verantwortliche für die Plünderung auf Kosten der Völker.

Wir lehnen den Zwang regionaler und bilateraler Abkommen wie ALCA, NAFTA, CAFTA, AGOA, NEPAD, Euro-Med, AFTA und ASEAN ab. Wir sind Millionen, die kämpfen und unsere Mobilisierung auf einen einzigen Feind konzentrieren: die WTO. Die indigenen Völker kämpfen gegen die Patente auf jegliche Form des Lebens sowie gegen den Angriff auf die Biodiversität, das Wasser, die Erde, die Umwelt, auf die Bildung und Gesundheit. Wir sind Millionen, die sich gegen die Privatisierung der öffentlichen Dienstleistungen wenden. Um dem gemeinsamen Feind die Stirn zu bieten, haben sich mit uns Jugendliche und Studenten verbunden, um ihr Recht auf öffentliche Bildung und eine würdige Arbeit einzufordern, um eine Zukunft ohne Armut und Gewalt leben zu können.

Wir fordern alle auf, für das Wasser als fundamentales Recht und Quelle des Lebens zu mobilisieren. Es darf nicht privatisiert werden, aber auch dafür, die Kontrolle über die gemeinsamen Güter und natürlichen Ressourcen wiederherzustellen, die privaten Interessen und denen der transnationalen Konzerne ausgeliefert wurden.
In der siegreichen Schlacht von Cancun, symbolisiert der Tod des südkoreanischen Bauern Lee das Leiden von Millionen Bauern und von Bevölkerungsschichten, die vom "freien Markt" ausgeschlossen werden. Sein Opfer ist ein Zeichen unserer Bestimmtheit gegen die WTO. Es ist klar, dass jeder Versuch die WTO wieder aufzufrischen, unseren Widerstand hervorrufen wird.

WTO raus aus der Landwirtschaft, der Ernährung, der Gesundheit, dem Wasser, den natürlichen Ressourcen und den gemeinschaftlichen Gütern.
Mit dieser Bestimmtheit rufen wir alle sozialen Bewegungen der Welt auf, nach Hong Kong zu mobilisieren, oder dahin, wo das nächste Ministertreffen der WTO stattfinden wird. Wir rufen dazu auf, alle unsere Anstrengungen im Kampf gegen die Privatisierungen, zur Verteidigung der gemeinsamen Güter, der Umwelt, Landwirtschaft, des Wassers, der Gesundheit, der öffentlichen Dienstleistungen und Ausbildung zu vereinen.

Mit diesen Zielen bekräftigen wir unseren entschiedenen Willen, das Netz der sozialen Bewegungen zu stärken und unsere Fähigkeit zum Kampf zu erweitern.

Globalisieren wir den Kampf, globalisieren wir die Hoffnung!