Vermittlungsprobleme der SPD:

Hallo? Vermittlung?

Seit Wochen staune ich über die bereitwillig öffentlich demonstrierte geistige Beschränktheit prominenter SozialdemokratInnen (vielleicht sollte man lieber sagen: SPD-Mitglieder?), die ihren Unmut über das sinkende Ansehen ihrer Partei und Regierung immer wieder in Worte fassen, die nur eines ausdrücken: Das Ziel der "Reformen" müsse besser vermittelt werden. Selbst wenn zaghafte Kritik an "sozialer Unausgewogenheit" des Regierungskurses gewagt wird, bleibt dies der Kern ihrer Äußerungen, ergänzt vielleicht um Kritik an überzogenem Tempo, "unnötiger Hast" bei der Umsetzung der notwendigen Reformen. Die SPD hat vor allem ein Vermittlungsproblem. Das war der Tenor auf der Regionalkonferenz der SPD im Kieler "Haus des Sports" am 25./26. Januar, das betet Heide Simonis seit Monaten herunter, das bestimmte die Äußerungen der SPD-Landeschefs am 4. Februar. Sie reden damit nicht anders als der Organisator des sozialen Kahlschlags und Lohnraubs, Bundeskanzler Schröder, dessen Politik sie ja auch weiter umsetzen helfen. Am 6. Februar, als er gerade den Parteivorsitz abgegeben hatte, wiederholte er es, diesmal im Zusammenhang mit Spekulationen über eine Kabinettsumbildung: Die Regierung habe "nicht in erster Linie" Personalprobleme, sondern könne bislang ihrer richtige Politik nur "nicht hinreichend vermitteln". (Ob nicht doch noch Köpfe rollen, sei dahingestellt.)

"Die Bevölkerung müsse die Chance haben, die Richtung zu begreifen", so fasste die KN am 5. Februar die Aussagen der SPD-Landesvorsitzenden zusammen. Mal ehrlich: Wenn das ihr Ziel wäre, dann hätte Klaus Möller in Schleswig-Holstein meine uneingeschränkte Unterstützung. Aber es ist ja gar nicht ernst gemeint. Wir werden weiterhin selbst dafür sorgen müssen, dass immer mehr Menschen begreifen, worin die Reise wirklich geht, und vor allem: wie man sie beenden und eine andere gesellschaftliche Entwicklung erzwingen kann. Ich hoffe sehr darauf, dass immer mehr SozialdemokratInnen dabei mittun und den DemagogInnen in ihren Vorständen die Gefolgschaft verweigern.

Diese aber sehen die Chancen auf Durchsetzung ihres Kurses gestiegen, seit nicht mehr Schröder, sondern Müntefering an der Spitze der Partei steht und der Kanzler sich voll und ganz auf die Disziplinierung der Regierungsmannschaft konzentrieren kann. Einer der hübschesten Kommentare dazu kam von dem in mancher Hinsicht unschlagbaren schleswig-holsteinischen Bundestagsabgeordneten der Schröder-Partei, HaPe Bartels: "Das ist eine historische Weichenstellung. Das bringt neue Zuversicht." (KN, 7.2.04)

Franz Müntefering! "Herz" und "Seele" der Partei! Zumindest verstehe es "keiner so wie er, die Seele der Partei anzusprechen"! Na denn. Müntefering gefällt´s sicherlich, obwohl er in der Regel nüchterner auftritt und eigentlich wenig Hehl daraus macht, dass es keinen Grund gibt, von ihm eine andere Politik zu erwarten. Bereits auf der erwähnten Regionalkonferenz fertigte er KritikerInnen aus Orts- und Kreisvorständen ab: "Wir können uns als Sozialdemokraten die Welt nicht mehr so malen, wie wir sie gern hätten", und: "Wir sind zu sehr damit beschäftigt, das zu verteidigen, was war." - "Es gibt eine nahtlose Übereinstimmung, was die Notwendigkeit und die Inhalte des Reformprozesses angeht", kennzeichnete Schröder sein Verhältnis zum in der Partei so viel beliebteren "Münte", der dem Kanzler sogleich versprach, die Partei auf Kurs zu halten und für "eine Politik aus einem Guss" zu sorgen. Wenn Schröder zum "Vermittlungsproblem" anmerkt, dieses gebe es "natürlich auch in meiner Partei (...), die unsere Politik trägt und auch weiterhin tragen muss", vermittelt Müntefering dies den Parteimitgliedern mit den Worten "Die Partei muss wissen, dass Opposition zur Demokratie gehört - dass Opposition aber die anderen machen sollen, und nicht wir", und: "Wenn man regiert, dann ist das Regieren die Hauptsache. Das muss die Partei unterstützen, hier liegt meine Aufgabe."

Wer also kann nach den Veränderungen an der SPD-Spitze "neue Zuversicht" schöpfen? Am ehesten wohl die Kreise, deren Sprecher den Herrn Schröder am 5. Februar ausdrücklich aufforderte, er solle endlich "die Reformkritiker in den eigenen Reihen in die Schranken weisen" - "Deutschland" trage immer noch "Fesseln", die es abzustreifen gelte. Es war dies der Herr Rogowski, Chef des Bundesverbandes der Deutschen Industrie. Schröder und Müntefering werden sich nach Kräften bemühen, dieser Anforderung gerecht zu werden.

(Dietrich Lohse)