Kernspalte

Die vor zwei Wochen vorgestellte Studie des BUND über die Terrorgefährdung von deutschen Atomkraftwerken hat einen prominenten Adepten gefunden: Der Präsident des Bundesamtes für Strahlenschutz, Wolfram König, übernahm fünf der acht in der Studie als besonders gefährdet genannten Meiler in seine dringende Empfehlung zur Abschaltung, nämlich Brunsbüttel, Philippsburg 1, Obrigheim, Isar 1 und Biblis A, die aufgrund ihrer älteren Bauart nicht ausreichend gegen Terrorangriffe mit Passagierflugzeugen geschützt seien. Gleichzeitig kritisierte er das bisherige Verhalten der Atomindustrie zum Thema als ignorant. Er halte das Abschalten "für wirtschaftlich und rechtlich möglich", zumal im Gegenzug ja neuere Reaktoren durch die Übertragung der Restlaufzeiten erheblich länger laufen dürften. Im wirklichen Leben aber durfte der vorübergehend abgeschaltete Reaktor Biblis A nach vielen Pannen am 20.02. wieder ans Netz. Die Arbeiten nahm der TÜV Nord ab, beruhigte das hessische Umweltministerium etwaige Bedenkenträger. Wenige Tage vorher hatte Umweltminister Dietzel nämlich die RWE wegen ihres nicht transparenten Meldeverhaltens bei zwei Störfällen im benachbarten Block B heftig kritisiert. Offenbar eine Fensterrede.

Die Serie von Verstrahlungen im AKW Fessenheim an der deutsch-französischen Grenze reißt nicht ab. Erneut wurde ein Arbeiter verstrahlt, der zwölfte in diesem Jahr. Umweltschützer aus Deutschland, Frankreich und der Schweiz forderten die sofortige Stilllegung dieses "größten Risikopotenzials". Der Direktor des ältesten französischen Atomkraftwerks, Joseph Sanchez, wies diese Forderungen zurück. Der Reaktor sei für eine Betriebsdauer von mindestens 40 Jahren ausgelegt, das wäre bis 2017. Fast zeitgleich verstrahlten sich auch drei Arbeiter im AKW Cattenom an der Mosel bei Wartungsarbeiten. Immerhin lehnte eine Kommission des Europaparlaments die von Cattenom beantragten erhöhten Einleitungsgrenzwerte ab. Höhere Grenzwerte hätten ja den unbestreitbaren Vorteil gehabt, dass Verstrahlungen flexibel zur Normalbelastung umdefiniert worden wären.

Welches wird der Energieträger der Zukunft sein? Eine Befragung des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung unter 200 Energieexperten sieht Gas und erneuerbare Energien weit vorne. Nach Schätzungen der Energiewirtschaft muss bis 2020 ca. 40 bis 50 Gigawatt Kraftwerksleistung erneuert werden. Die Befragung ergab auch, dass regenerative Energien über den Inlandsbedarf hinaus als potenzielle Exportartikel gesehen werden. Die Mitglieder des  Energieaus- schusses beim BDI hatten an der Befragung wohl nicht teilgenommen, denn sie sehen das ganz anders. Sprecher Werner Marnette fordert Kanzler Schröder auf, den von ihm so genannten "Atomausstieg" rückgängig zu machen, denn der gefährde "die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft". Tatsächlich steigt der Druck in diese Richtung nun von vielen Seiten, und es würde ja nur eine weitere "Reform der Reform" unter vielen sein. Verlockend ist auch das Argument, die Aufteilung der Zuständigkeit zwischen Trittin und Clement sei kontraproduktiv, da Trittin "einseitig ökologische Ziele" verfolge. Wirtschaftskanzler Schröder, der um eine Kabinettsumbildung über kurz oder lang nicht herumkommen wird, prüft bestimmt schon die Windrichtung, von der allerdings weder Dosenminister Trittin noch Steinkohlefreund Clement bisher profitieren konnten.

(BG)