auf & davon

Am Montag, den 16.02.2004 hat erneut ein bosnischer Roma in der Frühe unmittelbar vor der Abschiebung seine Zelle im Rendsburger Abschiebeknast in Brand gesteckt. Der 47jährige Familienvater sollte ohne seine Frau und seine fünf Kinder nach Bosnien abgeschoben werden. Er wird von einem Hüftleiden geplagt, benötigt dauerhaft Schmerzmittel und ist auf Krücken angewiesen. Als Roma, der seine Heimat vor zehn Jahren verlassen musste, kann er in Bosnien auf keine sozialen Bindungen mehr zurückgreifen. Die Lebensumstände unter denen die Roma z.B. in Tuzla zur Zeit ihr Dasein fristen, sind erbärmlich: keine Arbeit, kein Zugang zu medizinischer Versorgung. 80 Prozent der Kinder besuchen keine Schule, es gibt praktisch keine Sozialleistungen, viele Familien sind abgeschnitten von der Strom- und Wasserversorgung. Für einen hilfebedürftigen, gesundheitlich stark beeinträchtigten Mann ohne Aussicht auf Erwerbstätigkeit kommt die erzwungene Rückkehr ins winterliche Bosnien einer Abschiebung ins Nichts gleich. Der Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein verurteilt neben dem Tatbestand der Deportation von kranken - lediglich "reisefähigen" - Menschen, insbesondere die Praxis einer getrennten Inhaftierung und Abschiebung der Väter von ihren Familien. Soll hier der verfassungsrechtlich verbürgte Schutz der Familie und das Kindeswohl der Roma-Kinder vollständig zur Disposition gestellt werden? Tägliche Medienberichte lassen auf die Einigung der großen Parteien über eine Härtefallregelung im Vermittlungsausschuss zum Zuwanderungsgesetz hoffen. Für diesen bosnischen Familienvater käme die erwartete Regelung zu spät. Das müsste nicht so sein. Rheinland Pfalz macht es vor: Dort werden per innenbehördlichem Erlass Einzelfälle mit besonderen Härten vorläufig zurückgestellt - im Hinblick auf die zu erwartende Einigung über eine Härtefallregelung im künftigen Zuwanderungsgesetz. Der Kieler Flüchtlingsrat bittet das schleswig-holsteinische Innenministerium, mit einem entsprechenden Erlass den betroffenen potentiellen Härtefällen im Land die Angst vor der Schaffung irreparabler endgültiger Abschiebungsfakten zu nehmen. Erst am 25. Januar hatte in der Justizvollzugsanstalt in Kiel ein Liberianer versucht, sich das Leben zu nehmen. Nach eigenen Angaber war er zuvor auf dem Weg nach Norwegen, wo er einen Antrag auf Asyl gestellt hat, kurz vor der dänischen Grenze aus dem Zug geholt und auf einer Wache des Bundesgrenzschutz mehrfach geschlagen worden. Das Netzwerk Asyl hatte für den Samstag danach zu einer Protestaktion in Rendsburg und einem Besuch des Abschiebeknasts aufgerufen.

Seit November 2003 wird im Kieler Schauspielhaus das Stück “Zeit im Dunkeln” von Henning Mankell aufgeführt. Es geht um die verzweifelte Situation von Flüchtlingen, die hier illegal leben. Im Foyer des Schauspielhauses steht seitdem ein Spendentopf, so dass die Theaterbesucherinnen und -besucher die Arbeit von NISCHE (Netzwerk für illegalisierte Menschen in Schleswig-Holstein) unterstützen können. An die Kieler Ratsversammlung hat die CDU-Fraktion nun eine kleine Anfrage zu dieser Spendensammlung eingebracht. Wittert die CDU eine Spendenaffäre? Wir sind gespannt. Im November hatte das Schauspielhaus im Rahmenprogramm des Stückes eine Podiumsdiskussion zum Thema “Menschen ohne Papiere in Schleswig-Holstein” veranstaltet. Dort waren auf dem Podium ein Vertreter der Ausländerbehörde, der Landesflüchtlingsbeauftragte sowie eine Vertreterin des Netzwerkes NISCHE zu Wort gekommen.

(gho)