Schlechtes Wasser zu hohen Preisen?

Die Wasserwirtschaft als Ziel der Privatisierungs-Begierde

Die DKP Norderstedt lud für den 2. Februar 2004 zu einer Infoveranstaltung zum Thema “Privatisierung des Wassers” ins Info Archiv ein. Der dazu gehaltene Vortrag von Wolfgang Erdmann ist hier abgedruckt.

Wasser ist neben der Luft der einzige Stoff, dessen Bedarf für den Menschen durch keinen anderen Stoff ersetzt werden kann. Wasser hat daher - so unproblematisch seine Verfügbarkeit im Alltag bei uns empfunden wird - einen zentralen Stellenwert im Leben der Menschen.

Struktur der Wasserwirtschaft

Von den etwa 7000 Wasserversorgungsunternehmen in Deutschland werden die meisten (85%) öffentlich geführt. Sie fördern und verteilen aber nur 52% der Wassermenge. 15% der Wasserversorger sind privatrechtlich organisiert und kommen auf einen Anteil von 48% der Wassermenge.
Die Unternehmensform Eigenbetrieb ist die unmittelbarste Unternehmensführung durch Kommunen. Hier laufen alle Kosten und Erträge über den Kommunalhaushalt. Stadtrat und Verwaltung haben direkten Einfluss auf

Unternehmenspolitik, Personalpolitik, Preisfestsetzung, Investitionen. Diese Unternehmen werden in öffentlich-rechtlicher Form geführt. Eine Kapitalbeteiligung seitens Privater ist bei dieser Form nicht möglich.

Eigenbetriebe werden zur Zeit häufig in Eigengesellschaften in Form einer GmbH oder AG umgewandelt, die (zunächst) voll im Eigentum der Kommune stehen, aber privatrechtlich geführt werden: Kosten und Erträge laufen nicht mehr über den Kommunalhaushalt, die Unternehmensführung ist weitgehend autonom, die Stadtspitze hat als Eigentümerin Einfluss nur noch über die Aufsichtsgremien. Im Grunde ist der Schritt vom Eigenbetrieb zur Eigengesellschaft der wesentliche Privatisierungsschritt, auch wenn die GmbH noch in kommunaler Hand bleibt. Denn jetzt liegt das Unternehmensziel nicht mehr in der öffentlich-rechtlichen Daseinsvorsorge, sondern in der privatrechtlichen Gewinn-Erzielung und -Maximierung. Jetzt können auch Anteile an private Kapitalgeber verkauft werden.

Politische Ökonomie der Deregulierung und Privatisierung

Nach einhelliger Meinung sind in Deutschland die Wasserqualität vorbildlich und die Wasserpreise erträglich. Warum also der enorme Druck in Richtung Privatisierung der Wasserwerke?

a) Die Umverteilung schafft anlagesuchendes Kapital

Ein zentrales Merkmal des Kapitalismus in den letzten Jahren ist die stete Verschiebung in der Einkommensverteilung: zu Lasten der Arbeits- und zugunsten der Unternehmens- und Vermögens-Einkommen. Die Realeinkommen sanken von 1990 bis 2001 um -4,9%, die Netto-Gewinne der Kapitalgesellschaften stiegen im selben Zeitraum um 79,1% ! Der Anteil der Lohnsteuer am Gesamtsteuereinkommen lag 1970 bei 23%, 2002 bereits bei 36% ! Im Gegenzug wurden die Gewinn- und Vermögenssteuern von 1970 27% auf 2002 14% abgesenkt! Das bezeichnet man als Umverteilung von unten nach oben.
Bis in die 70er Jahre verwendeten die Unternehmen mehr als 60% ihres Einkommens für Sachinvestitionen, in den 90er Jahren sank
dieser Anteil auf nur noch 25%. Den Kapitalüberschüssen werden durch die Privatisierungen neue Anlagemöglichkeiten eröffnet. Der Ausverkauf öffentlichen Eigentums wird über die Medien in neoliberaler Ideologie eingehämmert: “Alles, was Privatunternehmen machen können, das können sie besser als Staatsunternehmen.”

b) Neue Anlagefelder: Strom- und Wasserwirtschaft

Zu den in Frage kommenden zu privatisierenden Branchenteilen zählen Strom, Gas, Wasser, Abfall, Verkehr, Krankenhäuser, Schulen / Hochschulen ...
Die Stromwirtschaft ist die mit Abstand größte und profitabelste. Ihre Deregulierung wurde bereits 1998 als erste umgesetzt. Mit dem Ergebnis: Die Stromwirtschaft ist stärker konzentriert als je zuvor (aus den neun Verbund-Unternehmen wurden vier Konzerne), die Preise steigen nach anfänglichen Lockangeboten kontinuierlich.
Aber auch die Wasserwirtschaft (“Wasser - das blaue Gold”) ist für das anlagesuchende Kapital hochattraktiv: “Sogar marode Wasserwerke sind bei großen Versorgern heiß begehrt” (Handelsblatt vom 2.7.2003)

Hamburger Wasserwerke HWW: “Das Unternehmen macht kräftige Gewinne und führt das Geld an den städtischen Haushalt ab.” (Hamburger Abendblatt 29.12.2003). Für 2005 sind 41 Mio Euro (zusammen mit der Hamburger Hafen- und Lagerhaus AG HHLA) eingeplant.

c) Kommunale Verschuldung und Sparzwang

Zahlreiche Städte, Gemeinden und Landkreise stehen finanziell am Abgrund. Für das Jahr 2003 rechneten die kommunalen Spitzenverbände mit einem Finanzierungsdefizit von etwa 8 - 10 Milliarden Euro. Die beiden Hauptursachen: “Der beispiellose Absturz der Gewerbesteuer sowie die steigende Sozialabgaben” (Deutscher Städte- und Gemeindebund, 4.4.2002), also die Folge der Steuerentlastung für Gewinne und Vermögen sowie der Folge von Krise, Arbeitslosigkeit und Verarmung.

Das Haushaltsrecht besagt: Bei sinkenden Einnahmen und/oder steigenden Ausgabeverpflichtungen im Verwaltungshaushalt muss die Kreditaufnahme - und damit die Investitionstätigkeit - zwangsläufig zurückgeführt werden. Unter diesem Druck verringerten sich die Sachinvestitionen der Kommunen kontinuierlich von 33,5 Mrd. Euro in 1992 auf nur noch 22,3 Mrd. Euro in 2002.

d) Privatisierung der Wasserversorgung

Die Wasserver- und -entsorgungsanlagen haben einen hohen Renovierungsbedarf, dem aufgrund der schon bestehenden Schuldenlast und des Haushaltsrechts zunehmend nicht nachgekommen werden kann. Da steht der Wasserkonzern-Vertreter vor der Tür und bietet Investitionen - und Beteiligung oder die Übernahme der Wasserwerke an. “Die Finanznot zwingt die Kommunen zum Verkauf der Stadtwerke. Zweite Angebotswelle. Hunderte Stadtwerke stehen zum Verkauf” jubelt die FAZ (8.3.2002).

In Deutschland hat sich mit RWE ein Wasserkonzern herausgebildet, der 2001 ca. 6 Mrd. Euro Umsatz im Wasser-Bereich erzielte und 68 Millionen Wasserkunden zählte. RWE hat sein anlagesuchendes Kapital für internationale Einkäufe in der Wasser-Branche genutzt. Damit liegt RWE in der internationalen Rangliste an dritter Stelle nach Veolia / Vivendi (Frankreich) mit 13,6 Mrd. Euro Umsatz und Suez / Ondeo (Frankreich) mit 10,1 Mrd. Euro im Wasser-Bereich.

e) Auslandsinvestitionen

Wie man bei RWE sieht, stellen Auslandsinvestitionen ein zentrales Mittel für anlagesuchende Kapitalüberschüsse dar. Das große Problem der Auslandsinvestoren ist die Sicherheit ihrer Kapitalanlage. 1998 scheiterte mit dem Multilateralen Abkommen über Investitionen (MAI) der bisher umfassendste Versuch der Kapitalabsicherung an den Protesten der Globalisierungsgegner. Nichtsdestotrotz werden die Bemühungen des transnational agierenden Kapitals intensiv fortgesetzt. Das General Agreement on Trade in Services (Übereinkomen über den Handel mit Dienstleistungen), kurz GATS, das bis 1.1.2005 abgeschlossen werden soll, würde den Weg frei machen für die weltweite Deregulierung und Privatisierung von öffentlichen Dienstleistungen. Vom Gedanken der Daseinsvorsorge, der Befriedigung des Bedarfes als Ziel kommunalen Wirtschaftens wird dann nichts mehr übrig bleiben.Ein neues Instrument wird seit etwa fünf Jahren zunehmend unter dem Verschuldungsdruck von Kommunen zur Anwendung gebracht, das Cross Border Leasing (grenzüberschreitendes Leasing). Kurz gesagt least ein US-Investor (z.B. Finanzfonds) langfristig kommunale Anlagen, gleichzeitig mietet die Kommune in einem kürzer laufenden Mietvertrag dieselbe Anlage zurück. Die zeitweise Entspannung der kommunalen Finanznot ist teuer erkauft: Alle wesentlichen Risiken liegen bei den Kommunen: z.B. der Verlust der Einflussnahme, die Veraltung der Anlagen, der Konkurs des Investors.
 
Gegenbewegung

a) Umwelt und Gesundheit

Die heutige Versorgung berücksichtigt sehr stark ortsnahe oder regionale Wasservorkommen. Das bedeutet, dass lokaler Umweltschutz (Grundwasser- und Gewässerschutz) eine wichtige Rolle spielt. Mit der Konzentration der Wasserwirtschaft, der Ausbreitung von überregional agierenden Wasser-Unternehmen und mit der Vereinfachung von Wasser-Durchleitungs-Rechten kommt es zunehmend zum Zugriff auf billigeres Fernwasser, und das führt bei profitorientierten Unternehmen zwangsläufig zur Vernachlässigung des Umweltschutzes und zur Qualitätsverschlechterung des Wassers.

b) Wasserpreise

In Deutschland liegt der durchschnittliche Trinkwasserpreis bei 1,45 Euro pro Kubikmeter, in Hamburg ab dem 1.1.2004 bei 1,39 Euro. Das Versprechen niedrigerer Wasserpreise ist das hauptsächliche Argument der Privatisierer. Die Erfahrungen sprechen eine andere Sprache. Nach der Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe BWB 1999 wurden die preise laufend erhöht; für 2004 ist eine Wasser-Preiserhöhung um 15% angekündigt!

c) Arbeitsplätze

1992 beschäftigte die Wasserwirtschaft noch 63.000 Menschen. Durch Rationalisierung und Privatisierungen sank diese Zahl auf 52.000 im Jahr 1998. Anzunehmen ist bei weiterer Privatisierungswelle eine Entwicklung wie in der Stromwirtschaft: Abbau der Beschäftigten um mehr als 25% im Zeitraum 1992 bis 2000.

d) Widerstandsbewegungen

Gegen die Privatisierung von Stadtwerken kommt es zu zunehmendem Widerstand:

Bürgerbegehren Norderstedt gegen die Umwandlung des Eigenbetriebes Stadtwerke in eine GmbH (“Pro Eigenbetrieb Stadtwerke”);

Bürgerentscheid Elmshorn gegen die Umgründung der Stadtwerke in eine AG (“Eigenbetrieb JA”) mit 84,4% gegen die Umgründung;

Volksinitiative “Unser-Wasser-Hamburg” gegen die Teilprivatisierung der Hamburger Wasserwerke HWW. (Wolfgang Erdmann, aus:

 Nadelstiche, sozialistische Zeitung für Elmshorn 02/04)