Kernspalte

Der Anblick einer 40 m hohen Betonkuppel wird unter ästhetischen Gesichtspunkten sicher kontrovers diskutiert und wird nicht akzeptabler durch die Gewissheit, dass darunter der Druck eines Reaktorkerns mühsam im Zaume gehalten wird. Ganz ernsthaft muss man sich vielleicht an eine zukünftig veränderte Silhouette gewöhnen, die durch im Halbkreis um die Kuppel aufgestellte, 40 m hohe Stahlbetongitter ergänzt wäre, auf etwa 80 m Länge. Bauexperten glauben, den älteren Reaktoren so einen Schutz vor Terrorangriffen mit Verkehrsflugzeugen verpassen zu können, und sie halten das für bezahlbar.

China baut in Pakistan Atomkraftwerke, aber wer baut in China? Auf der Suche nach einem möglichst “standardisierten System” ist ein Konkurrenzkampf um vier anstehende Neubauten in China zwischen Russland, USA, Frankreich und Kanada entbrannt. Deutsche Konzerne sind nur indirekt (bei der französischen Lösung) mit im Spiel. Angeblich soll nun auch der Export der Hanauer Plutoniumfabrik nach China gestoppt werden, aber auf Gerüchte aus Regierungskreisen kann man nicht viel geben: Ihre Halbwertzeit liegt deutlich unter der von atomaren Spaltprodukten.

Da hat gerade eine “Task Force” des Stuttgarter Umweltministeriums dem nachgebesserten Pannenreaktor in Philippsburg bescheinigt, “erhebliche Reserven an Sicherheit” erreicht zu haben, da geht es schon wieder los: Wegen fehlender Passstifte in den Motoren des Nachkühlsystems wurde der Reaktor am 17. März heruntergefahren. Ob das daran lag, dass erneut Betriebsvorschriften nicht beachtet wurden, teilte EnBW nicht mit. Die Stifte sollen bei Erdbeben Scherkräfte auffangen, aber wer will schon gleich den schlimmsten Fall annehmen, dass schlampiges Personal, defekte Sicherheitseinrichtungen, Naturkatastrophen und Terroristen an einem Ort zeitgleich zusammentreffen?

Wir als Ostseeanrainer schrammen schon seit Jahren immer knapp an einem unglücklichen Zusammentreffen vorbei, von dem wir uns immer vorstellen, es handele sich um einen russischen Öltanker. Statt des Öltankers kann es aber auch mal ein Atommüllfrachter sein. Am 8.3. berichtete die taz von einem Beinahezusammenstoß zwischen einem schwedischen Atommüllfrachter und einem Chemikalientanker unter panamesischer Flagge. Es ging grad nochmal gut, ein abruptes Seemanöver des Frachterkapitäns verhinderte, dass mit 200 Tonnen Atommüll auf dem Meeresgrund vor Bornholm ein Behältertest durchgeführt wurde. Warum die schwedischen Sicherheitsbehörden den Vorfall erstmal 2 Wochen geheim hielten, bleibt ein Rätsel. Panik brach woanders aus - z.B. in Madrid. Als das französische AKW Fessenheim letzte Woche eine Bombendrohung erhielt, blieb man ruhig und wartete ab - nichts passierte. “World is safer now!” Ist schon oft gutgegangen.

(BG)