Viertes Europäische Sozialforum:

Dominanz durch Parteien ausgeschlossen?

Am 13. und 14. März fand in London ein internationales Vorbereitungstreffen für das nächste Europäische Sozialforum (ESF) statt. Aus Deutschland nahm unter anderem Hugo Braun als Vertreter der Initiative für ein Sozialforum in Deutschland teil. Er ist zugleich Mitglied des Koordinierungskreises von ATTAC Deutschland. Wir sprachen mit ihm über den Verlauf der Diskussionen.(wop)

LinX: Im Vorfeld des Londoner Treffens hatte es Streit gegeben, weil sich in Großbritannien viele von den Vorbereitungen des Sozialforums ausgeschlossen fühlten. Wie ist dieser ausgegangen?

Hugo Braun (H.B.): Sehr gut. Es wurde das Startsignal für das nächste ESF gegeben, das Mitte Oktober in London stattfinden wird. Die innerbritischen Auseinandersetzungen, die mancher Kontinentaleuropäer nicht nachvollziehen konnte, sind ausgeräumt worden, und zwar mit einer in den neuen sozialen Bewegungen bewährten Methode, der wissenschaftlichen Mediation. Die beiden Hauptkontrahenten zweier sich gegenüber stehenden und sich manchmal schon beschimpfenden Gruppierungen wurden an einen Tisch gesetzt. Zwei Vertreter aus Frankreich und Italien, die viel Erfahrung mit dem Sozialforumsprozess haben, übernahmen die Vermittlung. Herausgekommen ist schließlich ein gemeinsames Papier, mit dem nun sichergestellt ist, dass die Vorbereitung demokratisch und transparent abläuft und niemand ausgeschlossen wird. Auch Einzelpersonen können künftig mitmachen, und nicht nur Organisationen und Initiativen, wie es die Charta des Weltsozialforums vorsieht.

LinX: Einer der wesentlichen Streitpunkte war der große Einfluß der Parteien, vor allem der Sozialistischen Arbeiterpartei SWP, und der Londoner Stadtbehörden. Ist geklärt, daß diese den Prozess nicht mehr dominieren können?

H.B.: Ja. Zum einen schon deshalb, weil die SWP viel zu klein ist, um ein solches Großereignis alleine organisatorisch bewältigen zu können. Zum andern haben die Vertreter der SWP klar gemacht, dass sie sich in das breite Bündnis einreihen wollen, und es gibt bisher keinen Anlaß, daran zu zweifeln.

LinX: Die langjährigen Erfahrungen mit der SWP in Großbritannien sind allerdings andere. Wurden  Sicherheitsmechanismen in den Prozess eingebaut, die eine Übernahme verhindern können?

H.B.: Die bestehen in der breiten Beteiligung anderer politischer Kräfte. Zum einen ist da die traditionelle Friedensbewegung, dann ATTAC Großbritannien, das eine vermittelnde Rolle spielt. Auch die Kommunistische Partei ist dabei, die zu trotzkistischen Organisationen wie der SWP in der Vergangenheit ein eher unfreundliches Verhältnis hatte und in sofern als Gegengewicht wirkt. Was die Londoner Behörden angeht, sehe ich von dort bisher keine politische Beeinflussung. Im Mitarbeiterstab des linken Bürgermeisters Ken Livingstones gibt es eine Menge sehr engagierter Menschen, die einen Teil ihrer Freizeit opfern, um das ESF zu organisieren. Daß einer von ihnen je versucht hätte, etwa in der Programmgruppe auch nur das Wort zu ergreifen, habe ich nicht erlebt.

LinX: 30 Euro sollen Menschen ohne Einkommen für die Teilnahme bezahlen, andere 44 Euro. Wenn man erst vor Ort bezahlt sollen es sogar 44 bis fast 60 Euro werden. Das stößt auf heftige Kritik. Geht es nicht billiger?

H.B.: Wahrscheinlich nicht. Anders als in Florenz und Paris wird es keine staatlichen Mittel in Millionenhöhe geben. Die Londoner Behörden werden nur einen vergleichsweise bescheidenen Beitrag zuschießen können. Das ESF wird sich also selbst tragen müssen. Aber die Kritik ist berechtigt. Wir werden daher einen Unterstützungsfonds als Teil der politischen Kampagne organisieren, damit auch den Menschen mit geringem oder keinem Einkommen die Teilnahme ermöglicht wird.

LinX: Hat man sich bereits auf die Themenachsen des Forums geeinigt?

H.B.: Nein. Aber es zeichnet sich einiges ab. Aus Deutschland und Österreich wird sehr auf das Thema Sozialkahlschlag gedrängt. Den Briten ist das Thema Rassismus sehr wichtig, und auch Krieg und Frieden wird sicherlich eine Rolle spielen. Das nächste Vorbereitungstreffen wird Mitte April in Istanbul stattfinden. Das war ein sehr demonstrativer Beschluss, um unsere solidarische Haltung in der Diskussion über die Türkei zu verdeutlichen.