Abschiebeknast Rendsburg:

Deutsche Verbrechen - Hier und Anderswo

Am Montag, den 16.02.04 hat erneut ein unmittelbar vor der Abschiebung stehender Mann seine Zelle angezündet. (s. LinX 4/04) Der verzweifelte 47jährige Familienvater sollte ohne seine Frau und seine fünf minderjährigen Kinder nach Bosnien abgeschoben werden. Er wird von einem Hüftleiden geplagt, benötigt dauerhaft Schmerzmittel und ist auf eine Gehhilfe angewiesen. Als Roma, der seine Heimat vor zehn Jahren verlassen musste, hat er in Bosnien keine menschenwürdige Perspektive.

Das Land leidet noch heute unter den Folgen des Jugoslawienkrieges. Neben der allgemeinen hohen Arbeitslosigkeit (70%!) sind besonders die Volksgruppe der Roma und Sinti von jeglichen gesellschaftlichen Prozessen ausgeschlossen und häufig Sündenböcke und Opfer ethnischer Auseinandersetzungen.
Dies ist bereits der dritte Versuch von Inhaftierten, durch Selbsttötung oder Brandsetzung die Abschiebung zu verhindern, seit der Inbetriebnahme des Abschiebeknastes in Rendsburg vor einem Jahr.

Die skrupellose Asylpraxis im Lande schreckt nicht davor zurück, den minderjährigen Kindern ihren Vater wegzunehmen, der zudem noch krank und auf fremde Hilfe angewiesen ist. Somit wird die ganze Familie unter Druck gesetzt und zur (freiwilligen) Ausreise gezwungen. Dies ist eine etablierte und gut funktionierende Methode der Ausländerbehörden um Abschiebehindernisse (z.B. minderjährige Kinder) zu umgehen.
Außerdem wird der Abschiebeknast als Instrument benutzt, um Flüchtlinge unter massiven Druck zu setzen. Viele haben Angst inhaftiert zu werden und entschließen sich schon vor einer Inhaftierung zur (freiwilligen) Ausreise.

Gegen Abschiebehaft und der mörderischen Abschiebepolitik der BRD protestierten wir am 21. Februar in Rendsburg. Nach der Info-Aktion in der Innenstadt demonstrierten wir vor dem Abschiebeknast. Nach einer, an die Gefangenen gerichteten Solidaritätserklärung, bekamen wir aus einer Zelle eine Aufforderung eine Person im Knast zu besuchen.

Zwischenzeitlich ermittelt die Polizei nach dem Versammlungsleiter der Aktion.

Besuche im Knast - Abschiebung eines 16jährigen

Es stellte sich schnell heraus, das trotz Sozial-, Verfahrensberatung und christlicher Nächstenliebe-Besuche der Bedarf an unterschiedlichen Hilfestellungen für die Gefangenen hoch ist.Bei unserem ersten Fall handelte es sich um einen 16jährigen Albaner, Kiri Abas, der nach Tirana abgeschoben werden sollte. Die Ausländerbehörde ließ ihn ein Dokument unterschreiben, auf dem das Geburtsjahr um zwei Jahre vorgesetzt wurde. Somit ist er aus juristischer Sicht 18 Jahre alt und kann abgeschoben werden. Ein Griff in die Trickkiste und schon sind Abschiebehindernisse aus dem Weg geräumt. Gleichzeitig rühmt sich die Landesregierung mit ihrer angeblich humanistischen Flüchtlingspolitik, niemals Minderjährigen aus Schleswig Holstein abzuschieben.

Kiri Abas hat keine Kontakte mehr in Albanien. Seine Familie ist im Krieg umgekommen. Bevor er vor zwei Jahren nach Deutschland kam, lebte er als Straßenjunge in dem Balkanland. Anfangs wollte er unbedingt seine Abschiebung verhindern, da ihm die aussichtslose Situation in Albanien bekannt war. Überraschenderweise änderte sich seine Meinung nach einem Gespräch mit einem Herrn König, der als Berater im Landesamt für Ausländerangelegenheiten tätig ist. Vermutlich wurde Kiri Abas unter massiven Druck gesetzt keinen Widerstand bei der Abschiebung zu leisten.
Er wurde schließlich Anfang März deportiert.

Abschiebehäftlinge - Rechtlos und Beraubt

Wir hatten des weiteren viele Gespräche mit Flüchtlingen im Abschiebegefängnis, die im Rahmen der Drittstaatenregelung in Rendsburg einsitzen. Die meisten kommen aus Skandinavien und wollten entweder in einem anderen europäischen Land Asyl beantragen oder einfach nur Verwandte oder Freunde besuchen.
Viele wurden in Puttgarden aufgegriffen, das Geld wurde beschlagnahmt und die Personen wurden nach Rendsburg transportiert. Der BGS beschlagnahmte bei einem Flüchtling einen Geldbetrag von 1300 €. Dieser staatlich legitimierte Raubzug soll dafür sorgen, dass die Flüchtlinge ihren Urlaubshotelaufenthalt im Abschiebeknast Rendsburg selbst bezahlen. Ein Haftplatz kostet ca. 90€ pro Tag. Der Mann wird vermutlich kein Geld zurückbekommen, da er neben der Haft auch noch seine Abschiebung selbst bezahlen muss.

Asylbewerber in Abschiebehaft dürfen kein Geld besitzen. Das Geld landet auf einem Treuhandkonto bei der Postbank.

Die Flüchtlinge, die in Skandinavien ein Asylverfahren laufen haben, möchten möglichst schnell zurückkehren. Im Normalfall müssen die Personen 20-80 Tage auf ihre Rückkehr warten, da die deutsche Bürokratie sehr langsam arbeitet.

Andere, deren Asylantrag in Skandinavien abgelehnt wurde, erwartet die Abschiebung im Doppelpack: Erst in den Norden, dann in den Süden.
Die meisten, zu denen wir Kontakt haben, kommen ursprünglich aus Ex-Jugoslawien.

Alle fühlen sich im Knast unwohl und wollen teils lieber abgeschoben werden, als weiter sinnlos im Knast zu sitzen. Viele sind durch Kriegserlebnisse traumatisiert.
Ein Flüchtling, bosnischer Herkunft, bekommt starke Medikamente gegen Depressionen. Vermutlich wurde bei ihm durch die Haft eine Re-Traumatisierung hervorgerufen. Das Geld für die Medikamente bekommt er von seinen Eltern. Im Gefängnis gibt es keine psychologische Versorgung. Er ist suizidgefährdet.
Die meisten Gefangenen, mit denen wir sprachen, äußerten Misstrauen gegenüber den im Knast vertretenen Beratungsstellen. Sie begreifen diese Institutionen als ein Teil des Systems Abschiebehaft.

Alle Fälle zeigen deutlich, das kein Mensch freiwillig flieht und das Abschiebehaft und Abschiebungen ein Verbrechen am Menschen ist. Abschottung, Apartheid und Abweisung sind die Leitlinie im Umgang mit Flüchtlingen.

Sozialraub und Lügen sind die Methoden der Regierenden um bewusst Rassismus zu produzieren. Damit wird die gesellschaftliche Zustimmung für rassistische Instrumente gesichert.

Kontinuität deutscher Verbrechen

Gegen nationale- und internationale Warnungen hat Deutschland in Jugoslawien gezündelt, indem der damalige Außenminister Genscher Kroatien und Slowenien nationale Eigenständigkeit versprach. Mit Lügen, wie z.B. das angeblich von Serben verübte Massaker von Racak und später der Hufeisenplan, wurde dann von der rot-grünen Bundesregierung 1995 die Nato Invasion begründet und forciert. Deutsche Bomber beteiligten sich ein weiteres Mal an einem ungerechten Krieg gegen Jugoslawien. Auch nach jahrelanger Zermürbungstaktik vor dem Siegergericht in Den Haag, ist es bis heute nicht gelungen, Slobodan Milosevic auch nur eines einzigen Kriegsverbrechens zu überführen. Die Zerschlagung Jugoslawiens zeigt sich vor wie nach so wenig gerechtfertigt wie es der Überfall auf Afghanistan oder den Irak gewesen ist.

Noch heute versuchen viele Menschen aus Ex-Jugoslawien zu fliehen, weil die dortigen Lebensbedingungen von ethnischen Konflikten, hoher Arbeitslosigkeit und Armut durch die Kriegsfolgen geprägt sind. Statt ihrer Verantwortung gegenüber diesen Flüchtlingen gerecht zu werden, setzt die Bundesregierung auf die blühenden Handelsbeziehungen mit Slowenien und Kroatien. Die Privilegierten profitieren auf Kosten der Menschen in Ex-Jugoslawien und der Flüchtlinge, die irgendwo in Europa einen Platz zum Leben finden wollen.

Ein Jahr Abschiebeknast - Veranstaltung in der VHS

Die Volkshochschule in Rendsburg veranstaltete am 3. März eine Podiumsdiskussion zum Thema „Ein Jahr Abschiebehaft in Rendsburg“. Auf dem Podium befanden sich ein Vertreter der VHS, Pastor Hagemeier (Knastprediger), Pastor Haeger (Pastor, der am Knast umliegende Christkirchengemeide), Goede (Leiter der Justizvollzugsanstalt in Kiel), Auner (Leiter des Abschiebeknastes), Seiberl (Sozialberater im Abschiebeknast) und eine Frau von der christlichen Besuchertruppe.

Mit Ausnahme von Pastor Haeger und L. Seiberl äußerten sich alle PodiumsteilnehmerInnen allgemein zustimmend zur Asyl- und Flüchtlingspolitik der BRD. Zwar wies jeder auf seine angeblich „innere Zerissenheit“ hin, grundsätzlich sei aber Abschiebung ein „nötiges Übel“.
Goede und Auner hielten wieder einmal ihre Beschönigungsreden über den Alltag im Abschiebeknast und beschrieben kurz den Tagesablauf.
Von Seiten des Publikums kam es noch zu einigen Nachfragen, dabei tat sich besonders eine Frau mit rassistischen Äußerungen hervor. In der Abschlussrede ging Pastor Haeger u.a. noch mal auf die Äußerungen dieser Frau ein, indem er sie fragte, um was sie die Häftlinge beneiden würde. Dieses Zitat wurde auch in einem

KN Artikel vom 5. März hervorgehoben.
Im Großen und Ganzen hätte mensch sich diese organisierte Selbstbeweihräucherung über die humane Abschiebehaft ersparen können. Statt dessen würde es diesen Herren und Damen mal gut tun, in die unangenehme Situation zu kommen, im Ausland ihren Ausweis oder Visum zu verlieren und in Abschiebehaft zu geraten.

Schlägerei im Abschiebeknast

Am 21. Februar kam es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen serbischen und albanischen Abschiebehaftgefangenen. Ursache des Konfliktes waren vermutlich die aktuellen ethnischen Auseinandersetzungen im Kossovo.Nach Aussagen von Auner hat sich das Wachpersonal vorbildlich verhalten. Jedoch wurde von den Wärtern beklagt, das es ihnen teils sehr schwer fiele im Konfliktfall nicht zurückschlagen zu dürfen. Die „armen“ Wächter hätten sich wohl besser einen anderen Job suchen sollen. Was ihnen aber sicher ist, ist die Solidarität der Gefängnisleitung. Statt sich mal in die Situation von Abschiebehäftlingen einzufühlen, bekommen die Wärter von der Knastleitung den Trost.

Wadephul (CDU) kritisiert den Vollzug der Abschiebehaft

Die Schlägerei im Abschiebeknast war der Anlass des CDU Spitzenkandidaten den „liberalen“ Vollzug zu kritisieren. Wadephul warf dem Justizministerium vor, den Vollzug der Abschiebehaft nicht unter Kontrolle zu haben. Trotz der hohen Kosten, die durch die aufwendige Bewachung der Gefangenen entstehen, käme es immer wieder zu Zwischenfällen, die auch belastend für die Anwohner seien.Das Justizministerium reagierte mit einer Pressemitteilung, in der Wadephuls Kritik als „übereifriges Einmischen bei ungenügenden Informationsstand“ bewertet wurde. Was die CDU damit bewirken wollte ist klar: Die Gefangenen sollen vermutlich, bis auf eine Stunde Hofgang am Tag, die ganze Zeit in ihrer Zelle verbringen. Somit könnten Kosten am Wachpersonal eingespart werden. Möglicherweise dürften dann die „armen“ Wärter auch mal zurückschlagen.

Fazit:

Der Abschiebevollzug der Flüchtlinge ist so konsequent barbarisch, wie es die Kriegsführung gegen ihr Land gewesen ist. Wie käme die jetzige Bundesregierung und damit ihre Helfershelfer in Schleswig-Holstein dazu, sich nunmehr in Verantwortung für die Menschenopfer zu sehen. Es wird insoweit allein auf unseren Widerstand ankommen, dass Fluchtursachen bekämpft werden und nicht Flüchtlinge.

Bernd Lange

kontakt@netzwerk-asyl.de