Eindrücke vom Aktionstag gegen Sozialkahlschlag:

Wir waren in Berlin

Allein in der KERN-Region hatten die DGB-Gewerkschaften 57 Busse für die Fahrt nach Berlin gechartert. Erlebnisberichte zusammentragen – das dürfte eine interessante Angelegenheit werden, war aber natürlich noch nicht zu machen. Nicht wenigen dürfte es so gegangen sein wie uns im Bus Nr. 50 aus Kiel – den Gendarmenmarkt haben wir nicht zu sehen bekommen. In der Nähe des Bahnhofs Zoo war Schluss mit Busfahren. Eine zusätzliche Demonstration, die einige Autofahrer kalt erwischte – sie waren plötzlich eingekeilt und saßen erst einmal fest – bewegte sich Richtung Brandenburger Tor. Kurz vor Beginn der Abschlusskundgebung trafen wir dort ein. Leider haben wir an Reden nur die von Michael Sommer und Bernard Thibault mitbekommen – viele von uns hätten lieber die späteren Redebeiträge gehört. Michael Sommer, offensichtlich beeindruckt von der großen Zahl von DemonstrantInnen, ließ sich zu dem Versprechen hinreißen, auf Grundlage der „Agenda 2010“ gebe es keinen Schulterschluss mit den Gewerkschaften, und die Verwirklichung der Bestimmungen des neuen Sozialgesetzbuchs II – die Umsetzung von Hartz IV, also die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe als „Arbeitslosengeld II“ auf Sozialhilfeniveau (in Wahrheit noch darunter) – werde nicht hingenommen. Es wird an uns allen liegen, die Aktivitäten, die zur Einlösung dieser Versprechen notwendig sind, zu entfalten. Eins ist mal klar: Die großartige Beteiligung an diesem Aktionstag – 250.000 war wohl eher ein Zwischenstand – ist nicht nur ein Signal „nach außen“, an Politik, Kapitalisten, Medien, sondern auch „nach innen“, an die leitenden FunktionärInnen unserer Gewerkschaften: Stellt euch darauf ein, dass wir unseren Protest und unsere Forderungen ernst meinen! Wir werden es euch nicht verzeihen, wir werden es gar nicht erst hinnehmen, wenn ihr den Aktionstag als einmalige Angelegenheit zum Dampf ablassen ansehen solltet – jetzt geht’s erst richtig los! Jetzt gilt es, den Widerstand über Wochenenddemonstrationen hinaus zu organisieren! Wenn es nach mir ginge, sollten sich bestimmte Spitzenangestellte der Gewerkschaften erst gar nicht mehr zu Wort melden, zum Beispiel Frau Engelen-Kefer, die auch in Berlin auf der Tribüne der Abschlusskundgebung stand – die verbrecherischen Arbeitsmarkt-Reformen persönlich mit organisieren und gleichzeitig den Protest dagegen verkörpern zu wollen, beweist zwar ein bemerkenswertes Maß an persönlicher Flexibilität und Darstellungsbereitschaft, aber an diesem Schauspiel habe wohl nicht nur ich allein keinerlei Bedarf.

Das Kieler Bündnis gegen Sozialabbau und Lohnraub hatte auf seiner letzten Sitzung vor dem 3.4. als Losung für ein zu gestaltendes Großtransparent festgelegt: „Unsere Agenda heißt Widerstand – Bündnis gegen Sozialabbau und Lohnraub Kiel“. Das hätte ich gern mit getragen; leider gab es das gar nicht – der Kollege, der mit dem Malen betraut worden war, ist vorher krank geworden und musste gar ins Krankenhaus. Sowas kann passieren, ich hoffe, es geht ihm inzwischen besser. In unserem Bus hatten wir zwei andere Transparente: „Kein Frieden mit den herrschenden Klassen“, ursprünglich für eine Friedensdemonstration gefertigt, aber auch hier sehr angebracht, und „Widerstand gegen alle Regierungen, die liberalisieren, deregulieren, privatisieren organisieren“. Mitglieder des Bündnisses hatten auch noch eine Aktion vorbereitet, bei dem ein selbst gebasteltes „soziales Netz“ gegen Angriffe verteidigt werden sollte. Eine entsprechende Aktion hat in Berlin auch stattgefunden, aber darüber müssten andere berichten – ich habe nichts davon mitbekommen, wenn ich auch die KollegInnen mit ihrem Netz zwischendurch mal getroffen habe, aber eben nicht in Aktion.

Bilder von DemonstrantInnen aus dem Norden sind unter verdi-kiel und dgb-kern im Netz zu sehen, auf der DGB-Seite auch Bilder von den Demonstrationen in Stuttgart und Köln.

Wir sind in Bewegung. Der 3. April war ein tolles Erlebnis, hat uns weiter ermutigt. Am 19. April trifft sich das Kieler Bündnis wieder im Garbesaal des Gewerkschaftshauses (19 Uhr); wir haben im Bus dafür geworben – mal sehen, ob´s was bringt. Und auch am 1. Mai sollten unsere Forderungen, für die wir in Berlin demonstriert haben, das Bild des Umzuges bestimmen.

 (D.L.)