Arbeitszeitverlängerung im öffentlichen Dienst und darüber hinaus:

40 Stunden und mehr ...

In einer konzertierten Aktion sollen die Flächentarifverträge abgeschafft, die Verbindlichkeiten von den Tarifverträgen eingeschränkt und das Streikrecht am besten gleich gestrichen werden. So stellt sich die Situation zumindest dar, liest man die Verlautbarungen von Arbeitgeberpräsident Hundt, dem bayrischen Ministerpräsidenten Stoiber, Herrn Merz von der CDU und seiner Vorsitzenden Frau Merkel und nicht zuletzt dem immer um Schlagzeilen bemühten "Yuppie" der nicht mehr liberalen FDP. Dies ist nicht als Geschwätz oder als klassisches Getöse abzutun - im Gegenteil:

Die Ministerpräsidenten haben auf ihrer Konferenz vom 24. und 25. März 2004 u.a. eine Arbeitszeitverlängerung ohne Lohn- und Gehaltsausgleich für den öffentlichen Dienst im Tarifgebiet West beschlossen. Der Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern und der Regierende Bürgermeister des Landes Berlin haben sich der Stimme enthalten, alle anderen haben zugestimmt, und damit auch die Ministerpräsidentin Simonis von Schleswig-Holstein. Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit soll auf bis zu 42 Stunden angehoben werde. Die Ministerpräsidenten begründen dies zum einen mit der Haushaltslage der Länder und zum anderen mit der bereits stattgefundenen Anhebung der Arbeitszeit für Beamtinnen und Beamte auf bis zu 42 Std./Woche. Die Ministerpräsidenten haben mit diesem Beschluss die Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL), als Tarifvertragspartei aufgefordert alle entsprechenden Regelungen zur Arbeitszeit in dem Bundesangestelltentarifvertrag (BAT), dem Manteltarifvertrag für die Arbeiterinnen und Arbeiter des Bundes und der Länder (MTArb) sowie dem Manteltarifvertrag für die Waldarbeiter (MTW) zum 30. April 2004 zu kündigen. Die TdL ist diesem Beschluß am 26. März 2004 nachgekommen, dabei haben sich die Länder Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg der Stimme enthalten.

In der Folge und in der veröffentlichen Meinung wurde sehr schnell deutlich, dass zwar die Arbeitszeit für den öffentlichen Dienst im Tarifgebiet West mit dem Ziel der Verlängerung gekündigt wurde, die CDU/CSU und FDP geführten Bundesländer darüber hinaus allerdings eine breit angelegte Strategie zur generellen Arbeitszeitverlängerung verfolgen. Diese Bundesländer erhalten von ihren jeweiligen parteipolitischen Bundesvorständen und von den Wirtschaftsverbänden große Unterstützung. Es sei, so wird in diesem Kontext die stark vereinfachte und eindimensionale Forderung verteidigt, zur wirtschaftlichen Erholung und zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit sowie zum Abbau der Massenarbeitslosigkeit in Deutschland erforderlich, dass wieder mehr und länger gearbeitet würde.
Die politischen Entscheidungsträger und Wirtschaftsverbandsvertreter bleiben bei ihrer Forderung nach einer Arbeitszeitverlängerung allerdings die Antwort auf die Frage, wie denn damit tatsächlich mehr Beschäftigung erreicht werden soll, schuldig. Dem gegenüber ist mehr als nachvollziehbar, dass die Umsetzung eine klare Lohn- und Gehaltskürzung bedeuten, mehrere hunderttausend Arbeitsplätze vernichten und eine weitere Schwächung und Verschärfung der konjunkturellen inländischen Wirtschaftsentwicklung (weitere Reduzierung der Binnennachfrage) nach sich ziehen würde.

Dabei haben schon heute viele Beschäftigte des öffentlichen Dienstes und der privaten Wirtschaft aus nachvollziehbaren Gründen Angst um den Erhalt ihres Arbeitsplatzes. Das sich hieraus ergebene enorme Erpressungspotential wird von der Politik, den Arbeitgebern und ihren Verbänden ausgenutzt, auch um die Gewerkschaften zu schwächen und die Tarife zu senken.

Darüber hinaus trägt die Entscheidung der Ministerpräsidenten zur Aushebelung der Tarifautonomie bei. Denn erst setzen sie einseitig das Recht für die Beamtinnen und Beamten und in der Folge fordern sie die gleichen Regelungen für die tariflich Beschäftigten im öffentlichen Dienst.

Die öffentlichen Verlautbarungen des Finanzministers Dr. Ralf Stegner von Schleswig-Holstein, er würde eine pauschale Arbeitszeitverlängerung ablehnen, wird als entlarvende Strategie und als ein offenkundiger Täuschungsversuch erkannt. Einerseits redet er von der Erhaltung der Tarifautonomie und andererseits über die "Angleichung" der Arbeitsbedingungen der Tarifbeschäftigten an die Beamtenregelungen - dies ist ein Widerspruch in sich und ergibt keinen Grund zur Beruhigung. Die Absicht, dass auch die Landesregierung Schleswig-Holstein die Arbeitszeit anheben will, geht nicht nur aus den Beschlüssen der Ministerpräsidentenkonferenzen vom 18. Dez. 2003 und 25. März 2004 (an denen Frau Simonis jeweils zustimmend mitwirkte), sondern auch aus verwaltungsinternen Mitteilungen des Finanzministeriums an alle personalführenden Stellen der Landesverwaltung zum Thema hervor.

Die Bundesländer wollen mit ihren Forderungen: Die vollständige Urlaubsgeldstreichung, die radikale Weihnachtsgeldabsenkung, die deutliche Arbeitszeitanhebung und der Zahlung von nur noch 80 Prozent der bisherigen Einkommen (den Rest nach Gutsherrenart leistungsorientiert) die verfehlte Steuer-, Finanz- und Haushaltpolitik auf dem Rücken der Beschäftigten austragen. Es kann dabei nicht völlig ausgeschlossen werden, dass die Länder ihren Konfrontationskurs weiter fortsetzen und die gesamten Manteltarifverträge (BAT, MTArb und MTW) kündigen werden.

Die Länder verlassen mit dieser Vorgehensweise den Vertrag, den sie mit der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) am 9./10. Jan. 2003 vereinbart haben. Die Länder haben sich darin mit den anderen öffentlichen Arbeitgeber von Bund und Kommunen bereit erklärt, mit ver.di bis zum Jan. 2005 das Tarifrecht für den öffentlichen Dienst neu zu gestalten. Die Länder machen mit der weiteren Kündigung von Tarifregeln mehr als deutlich, dass sie offenkundig nicht an einer Neugestaltung des Tarifrechts für den öffentlichen Dienst interessiert sind. Sie wollen das Gegenteil: Die Vernichtung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen. Sie wollen umfassende Lohn- und Einkommenskürzungen durchsetzen. Sie wollen tarifpolitische Errungenschaften der letzten fünfzig Jahre ersatzlos streichen. Sie wollen den Weg ebnen, um umfassende Verschlechterungen der Arbeits- und Lebensbedingungen zu verwirklichen.

All diesen Zielen will ver.di entgegentreten: ver.di will ein zukunftsfähiges Tarifrecht im öffentlichen Dienst. Ein Tarifrecht, welches attraktiv, fair, gerecht und leicht nachvollziehbar für die Beschäftigten ist. ver.di will ein Tarifrecht, welches die zahlreichen Veränderungen an den Arbeitsplätzen widerspiegelt. Ein Tarifrecht, welches für die jungen Frauen und Männer in Bezug auf den Verdienst interessant und anziehend ist. Ein Tarifrecht, welches die Verbindung von Beruf und Familie leichter möglich werden läßt. Für all diese Ziele braucht ver.di die breite Unterstützung aus den Belegschaften - nur wenn die Mehrheit der Beschäftigten ver.di in diesen Zielsetzungen unterstützt, d.h. Mitglied wird und ist, ist eine Zielerreichung und reelle Umsetzung möglich. Nur so können die Vorstellungen, Interessen und Forderung erfolgreich durchgesetzt, die erreichten tarifpolitischen Errungenschaften erfolgreich verteidigt und die beschäftigungs- und wirtschaftspolitisch verfehlten Ansprüche der Arbeitgeber erfolgreich abgewehrt werden.

Der ver.di Bezirk Kiel-Plön wird zur Neugestaltung des Tarifrechts für den öffentlichen Dienst und zur Forderung der Länder nach einer Arbeitszeitverlängerung am 28. April 2004 um 17 Uhr im Restaurant Legienhof (Legienstrasse 22, in 24103 Kiel) mit dem Bundestarifsekretär und Bundesvorstandsmitglied von ver.di Kurt Martin einen tarifpolitischen Abend durchführen.

Kiel, im April 2004

Frank Hornschu