EU-Asylpolitik:

Einigung auf niedrigem Niveau

Die EU-Innenminister haben sich am Donnerstagabend auf ein einheitliches Asylverfahren geeinigt. Der Beschluss kam quasi in letzter Minute, da die Mitgliedsstaaten sich im Vertrag von Amsterdam darauf geeinigt hatten, bis zum 1. Mai 2004 eine einvernehmliche Regelung zu schaffen. In dem verabschiedeten Paket geht es vor allem darum, dass es eine Liste sogenannter sicherer Herkunftsländer geben wird, zu denen vermutlich außer den Beitrittskandidaten Rumänien und Bulgarien auch Mali, Chile, Benin, Uruguay und einige andere gehören werden. Bürger dieser Staaten sollen, falls sie in einem EU-Mitgliedsland Asyl beantragen, in ein beschleunigtes Verfahren kommen. Außerdem darf Deutschland an seiner Drittstaatenregelung festhalten, mit der es Flüchtlinge an den Grenzen abweist, die über als sicher angesehene Länder einreisten. Es wird zwar keine gemeinsame Liste “sicherer Drittstaaten“ geben, aber auch die anderen EU-Staaten erhalten die Möglichkeit, ähnliche Regelungen einzuführen.

Großbritannien darf außerdem an seiner bisherigen Praxis festhalten, Asylbewerber wegen der Zugehörigkeit zu bestimmten Volksgruppen oder der Herkunft aus bestimmten, als sicher deklarierten Landesteilen ohne Einzelfallprüfung abzulehnen. Insgesamt haben sich die Minister auf den jeweils niedrigsten Standard geeinigt.
Entsprechend harsch fiel die Kritik von Menschenrechtsorganisationen aus, die vom Bruch internationalen Rechts sprechen. Der deutsche flüchtlingspolitische Verein ProAsyl wies darauf hin, dass künftig auch die neuen EU-Mitgliedsländer die deutsche Drittstaatenregelung übernehmen können. Das könne unter anderem dazu führen, dass Polen und Litauen Weißrussland zum sicheren Drittstaat erklären und alle Flüchtlinge, die von dort einreisen ohne Einzelfallprüfung an der Grenze zurückweisen. Dabei habe der Europarat erst kürzlich die Beziehungen zur Regierung in Minsk wegen anhaltender Menschenrechtsverletzungen abgebrochen. Auch amnesty international und der Europäische Flüchtlingsrat (European Council on Refugees and Exiles, ECRE) kritisieren die Vereinbarung der Minister scharf. Besonders in den Möglichkeiten, die Einzelfallprüfung zu umgehen und Flüchtlinge abzuschieben, bevor ein Gericht über etwaige Folgeanträge entscheiden konnte, sieht man einen Bruch mit der Genfer Flüchtlingskonvention.

In Deutschland muss noch der Bundestag der Vereinbarung zustimmen. ProAsyl appelliert an die Abgeordneten, von dieser letzten Chance zur Verhinderung der drastischen Verschlechterungen des Flüchtlingsschutzes Gebrauch zu machen. Künftig gehört die Asylpolitik zum Bereich der gemeinsamen Politik der Union, mit der im Ministerrat mit qualifizierter Mehrheit entschieden werden kann.

(wop)