Kommentar:

Kleine Demos täuschen

Das war also der 1. Mai. Nach den riesigen Demonstrationen gegen Sozialraub am 3. April, nach den Angriffen auf den öffentlichen Dienst, den Privatisierungs- und Auslagerungsplänen in den Krankenhäusern den fortgesetzten sozialen Grausamkeiten der Bundesregierung  wäre eigentlich ein bisschen mehr zu erwarten gewesen. Aber Kiel war kein Einzelfall, in vielen Städten war die Beteiligung an den Maidemonstrationen nur mittelmäßig. Überall werden Krankenhäuser verscherbelt, Stadt- und Wasserwerke verkauft, Einkommen gekürzt, Arbeitshetze erhöht, Kindertagesstätten verteuert, im öffentlichen Dienst gar die Arbeitszeiten verlängert, und überall schwankt die Stimmung in den Betrieben wie auf den Arbeitsämtern zwischen Verunsicherung und Verzweiflung auf der einen und angestauter Wut auf der anderen Seite. Dennoch verzichten die örtlichen Gewerkschaftsführungen meist darauf, diese Wut in Mobilisierung umzuwandeln und dabei den Schwung vom 3. April zu nutzen.

Natürlich kommt das alles nicht überraschend. Genauso wenig, wie dass es außerdem Perspektivenkongress von ver.di gemeinsam mit Attac und anderen keine Konzepte der Gewerkschaftsvorstände gibt, wie es nach diesem Riesenerfolg weitergehen kann. Kein Gewerkschaftslinker wird ernsthaft erwartet haben, dass die starken konservativen Kräfte in den Vorständen und Apparaten über Nacht ihre Positionen aufgibt. Es führt einfach kein Weg dran vorbei, für möglichst viel Aktivität und Selbstorganisation an der Basis in- und außerhalb der Gewerkschaften zu sorgen.

Die Stimmung dafür ist jedenfalls im Prinzip vorhanden. Das zeigt sich unter anderem an dem enormen Interesse, auf das der Vorschlag für eine Wahlinitiative überall in der Republik stößt. Über diesen kann man durchaus geteilter Meinung sein, aber offensichtlich ist die entsprechende Initiative auf dem besten Wege zu einem Kristallisationspunkt der Unzufriedenheit vor allem unter linken und weniger linken Gewerkschaftern zu werden, die die Schnauze von der sozialen Gegenreform gestrichen voll haben. Daher sollten sich die Linken ganz genau überlegen, wie sie damit umgehen. Auch wenn man das Projekt ablehnt sollte man vor allem nach Wegen und Möglichkeiten gemeinsamer Aktionen suchen.

(wop)