Petitionskampagne für Wanderarbeiter:

Wider die Menschenrechtsphrase

Die UN-Wanderabeiterkonvention ist am 1. Juli 2003 mit der Unterzeichnung und Ratifizierung durch mehr als 20 Staaten offiziell in Kraft getreten. Sie geht auf einen Beschluss der UN-Generalversammlung aus dem Jahr 1979 zurück, verabschiedet wurde sie am 18. Dezember 1990. Diese internationale Konvention sichert Arbeitsmigrantinnen und Arbeitsmigranten – unabhängig von ihrem aufenthaltsrechtlichen Status – grundlegende politische, persönliche und soziale Menschenrechte zu. So das Recht auf Freiheit, auf Bildung, auf körperliche Unversehrtheit und medizinische Behandlung, auf angemessene Bezahlung, rechtsstaatliche Verfahren. Die Konvention wurde in der Überzeugung erarbeitet, dass es notwendig sei, Menschenrechte für Arbeitsmigrantinnen und Arbeitsmigranten präzise zu bestimmen und die Möglichkeiten ihrer Durchsetzung in der Praxis zu verbessern.

Bereits die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte und andere internationale Abkommen sichern prinzipiell auch allen “Nicht-StaatsbürgerInnen“ in Deutschland grundlegende Rechte zu (vgl. Art. 1, Abs. 2 und 3 Grundgesetz). De facto hat sich jedoch ein tiefer Graben zwischen dem allgemeinen Bekenntnis zu den Menschenrechten und den konkreten Lebens- und Arbeitsbedingungen z.B. von Wanderarbeiterinnen und Wanderarbeitern, zumal solchen ohne regulären Status, aufgetan. Letztere sind häufig gezwungen, unter gesundheitsgefährdenden und geradezu sklavenartigen Bedingungen zu arbeiten – mitunter wird ihnen aufgrund ihrer recht- und machtlosen Lage sogar jeglicher Lohn für ihre Tätigkeit vorenthalten. Ihre Kinder können wegen der Angst vor Ausweisung und Abschiebung nicht zur Schule gehen, und auch dringend erforderliche Arztbesuche werden aus diesem Grunde vermieden.

Wie sollen diese “Menschen ohne Papiere“ ihre Grundrechte auf Gesundheit, Bildung, angemessene Bezahlung und Nichtdiskriminierung im Exil durchsetzen können? An dieses Dilemma, der Schwierigkeit fundamentale Menschenrechte von Wanderarbeitskräften in der Praxis einzuklagen und durchzusetzen, knüpft die UN-Wanderarbeiterkonvention an und versucht, in diesem Bereich zunehmender Menschenrechtsverletzungen Abhilfe zu schaffen.

Zu den Unterzeichnerstaaten der UN-Konvention gehört bislang jedoch keine der reichen Industrienationen der Welt. Die reguläre und irreguläre Beschäftigung von “Nicht-Staatsangehörigen“ stellt hingegen globalisierungsbedingt einen festen Bestandteil der europäischen Ökonomie dar. Dies gilt insbesondere in der Bau- und Landwirtschaft, in der Gastronomie, den haushaltsnahen Dienstleistungen und in der Pflegewirtschaft, d.h. in arbeitsintensiven Sektoren, die nicht ins Ausland ausgelagert werden können. Staatliche und wirtschaftliche Politik zielt insofern auch nicht auf eine prinzipielle Verhinderung illegaler Beschäftigung ab. Infolge der restriktiven europäischen Einwanderungspolitik versuchen viele Immigrantinnen und Immigranten gezwungenermaßen, in den Nischen der informellen und rechtlosen Arbeitsmärkte ihr Überleben und das ihrer Familien zu sichern.

Die feierliche Berufung auf die Menschenrechte gehört zwar zur ständigen politischen Rhetorik aller Parteien in Deutschland. Dem widerspricht jedoch die politische Praxis, Immigrantinnen und Immigranten – mit und ohne legalem Aufenthaltsstatus – grundlegende Menschenrechte vorzuenthalten und die Weiterentwicklung entsprechender internationaler Schutz-Konventionen zu behindern. Die Geltung der immer konkreten Menschenrechte von den jeweiligen Interessen des politischen Tagesgeschäfts oder der wirtschaftlichen Konjunktur abhängig zu machen, bedeutet, sie preiszugeben, denn es macht eben den Kern der Menschenrechte aus, dass sie für jedermann und jedefrau, zu jeder Zeit und an jedem Ort der Welt gelten.

Dennoch weigert sich die Bundesregierung, die UN-Konvention zur Verbesserung der Lage und Rechte von Wanderarbeiter/innen und ihren Familien zu ratifizieren. Das Komitee für Grundrechte und Demokratie will deshalb mit seiner Petitionsinitiative eine öffentliche und parlamentarische Debatte über die UN-Wanderarbeiter/innen-Konvention anstoßen.

Im Umgang mit illegalisierten, entrechteten Menschen hat sich die Bundesrepublik Deutschland im weltweiten Vergleich stets als besonders unbarmherzig und unnachgiebig erwiesen. Das Komitee für Grundrechte und Demokratie will vor diesem Hintergrund Bürgerinnen und Bürger dieses Landes dazu ermutigen, sich gegen die staatliche Unfähigkeit und Unwilligkeit zu einer humanem Praxis, insbesondere gegenüber “Menschen ohne Papiere“, und gegen die mangelhafte Verwirklichung unteilbarer Menschenrechte in Deutschland auszusprechen.

(Presseerklärung des Komitees für Grundrechte und Demokratie)

email: info@grundrechtekomitee.de

An den Petitionsausschuss des Bundestages

Wir fordern den Petitionsausschuss auf, auf einen Beschluss des Deutschen Bundestages hinzuwirken, der die Bundesregierung dazu verpflichten soll, die “Internationale Konvention zum Schutz der Rechte aller Wanderarbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen“ zu unterzeichnen. Alle nationalen Gesetzesbestimmungen sind nichtig, die einer Verwirklichung dieser Rechte entgegenstehen. Wir ersuchen den Petitionsausschuss mit dem Petitum dieser Petition, zum einen in Richtung Bundestag und Bundesregierung aktiv zu werden. Zum anderen sollte der Petitionsausschuss uns, den Petenten und den Vertreterinnen und Vertretern der verschiedenen migrationspolitisch aktiven Gruppen, die Chance einer der Sache angemessenen Anhörung geben. Abhilfe kann diesem Petitum nur geschaffen werden, wenn der Petitionsausschuss sein Mandat entsprechend des in ihm liegenden menschenrechtspolitischen Gewichts begreift. Gelänge eine öffentlich unterstützende Diskussion, gelänge es dem Petitionsausschuss die Sache der WanderarbeiterInnen menschenrechtlich zu der seinen zu machen, leistete er den im Grundgesetz enthaltenen Menschenrechten einen großen Dienst.

Unterschriftenlisten können angefordert werden bei: Komitee für Grundrechte und Demokratie, Aquinostr. 7 -11, 50670 Köln

Die Aktion läuft bis zum 2. Dezember 2004.