Afrika und der Norden:

Nur Rhetorik

Horst Köhler war beim Internationalen Währungsfonds verantwortlich für die rosarote Sauce, die über den knallharten Neoliberalismus gegossen wurde", meint Peter Wahl vom Alternativinstitut WEED (World Economy, Ecology, Development; Weltwirtschaft, Ökologie, Entwicklung). Für das globalisierungskritische Netzwerk ATTAC und den Solidaritätsdienst International in Berlin war das Anlass,  im Vorfeld der inzwischen erfolgten Präsidentenwahl ein kleines "Tribunal" abzuhalten. Köhler war seit Ende 2000 Direktor des IWF, bis er in diesem Frühjahr wegen seiner Kandidatur zurücktrat. ATTAC hatte Wahl gebeten, über Geschichte und Funktion des IWF sowie Köhlers Rolle im Fonds zu referieren. Eingeladen war außerdem Demba Moussa Dembele, Ökonom und sozialer Aktivist aus Senegal, der über die Folgen der IWF-Strukturanpassungsprogramme für Afrika berichtete. Er leitet in Senegals Hauptstadt Dakar das Forums für Afrikanische Alternativen. Wir nutzten die Gelegenheit für ein Gespräch über IWF, Freihandel und EU in Afrika. (wop)

LinX: Der ehemalige Direktor des Internationalen Währungsfonds (IWF) Horst Köhler soll Deutschlands neuer Präsident werden. Welch Empfindungen löst das bei Ihnen aus?

Demba Moussa Dembele (D.M.D.): Als Afrikaner möchte ich mich natürlich nicht in die deutsche Innenpolitik einmischen. Aber nach dem was ich auf Veranstaltungen in Hamburg und Berlin gehört habe, wird Köhler als Präsident die gleiche Politik verfolgen, die er bereits als IWF-Chef vertreten hat. Ich denke, dass ist kein gutes Omen für die Deutschen.
Diese Politik hat in unseren Ländern vollkommen versagt und die Armut vergrößert. Ursachen hierfür waren die Handelsliberalisierung, die Privatisierungen und die Kürzungen der Sozialausgaben. Die Programme des IWF haben den Multinationalen Konzernen mehr Macht gebracht, die unsere Staaten verloren.

LinX: Köhler hat in seiner Zeit als IWF-Direktor viel von Armutsbekämpfung gesprochen. Für einige Staaten gab es entsprechende Programme, die PRGF.

(D.M.D.): Mit der Armutsbekämpfungs-Rhetorik soll nur die internationale öffentliche Meinung in die Irre geführt werden. Die Politik hat sich nicht verändert. Wenn man sich die PRGF genauer anschaut, dann ist zu sehen, dass die makroökonomischen Maßnahmen die gleichen wie die der Strukturanpassungsprogramme sind. Das zeigt unter anderem auch ein Bericht der UN-Konferenz für Handel und Entwicklung (UNCTAD). Die Rhetorik mag sich also geändert haben, aber der Kern der Politik ist nach wie vor neoliberal.

LinX: Sie sprachen davon, dass der IWF die Liberalisierung des Außenhandels erzwingt. Weshalb ist das für die afrikanischen Länder ein Problem?

(D.M.D.): Viele unsere Industrien sind klein und können nicht mit auf dem Weltmarkt konkurrieren. Wenn man also Subventionen und Schutzzölle abschafft, wie es der IWF von uns fordert, dann strömen Importe ins Land die billiger als unsere eigenen Produkte sind, und zwar unter anderem deshalb, weil diese in den Herkunftsländern oftmals subventioniert wurden. Bei uns aber gehen die heimischen Unternehmen an der Konkurrenz kaputt und die Menschen verlieren Arbeit und Einkommen.

LinX: Was halten Sie in diesem Zusammenhang von den Handelsabkommen zwischen der Europäischen Union und zahlreichen afrikanischen Staaten?

(D.M.D.): Diese Abkommen sind nicht gut für uns. Die EU versucht mit ihnen eine Freihandelszone zwischen Afrika und Europa einzurichten. Für uns hieße das, dass wir unsere bisherigen Handelsvorteile verlieren. Bisher gibt es  Vorzugsbedingungen, so dass die meisten unserer Exporte in die EU zollfrei sind. Europa will diese Verträge aber in ein Freihandelsabkommen umwandeln. Europäische Waren würden also ungehindert auf unsere Märkte strömen und die heimische Produktion zerstören. Andererseits ist aber Europa wichtiger Exportmarkt für uns, was in den Verhandlungen als Druckmittel gegen uns ausgenutzt wird.

LinX: Was ist aus Ihrere Sicht der wichtigste Entwicklungsfaktor? Die Öffnung der Märkte im Norden für afrikanische Güter oder die Abschottung der eigenen Märkte, damit sich eine heimische Industrie entwickeln kann?

(D.M.D.): Afrika muss seine eigene Märkte schützen, denn die Idee, mit Ausrichtung auf den Export die Länder zu entwickeln hat versagt. Selbst wenn es keine Zölle auf unsere Waren gibt, wie es derzeit im Handel mit der EU meist der Fall ist, gibt es dennoch zahlreiche Beschränkungen und Hindernisse. Wir brauchen also unsere eigenen Märkte, wie zum Beispiel ECOWAS (Wirtschaftsgemeinschaft Westafrikanischer Staaten). Darum sollten sich unsere Regierungen mehr kümmern, als um die Verhandlungen mit der EU. Manchmal brauchen wir natürlich externe Märkte, aber für viele Güter sind die USA oder Europa eigentlich viel zu weit entfernt. Was man dort für Transport und Marketing ausgeben muss, wäre besser in den Aufbau regionaler Märkte gesteckt. In den ECOWAS-Ländern leben immerhin 300 Millionen Menschen. Das kann ein großer Markt sein, der entwickelt werden müsste.