ThyssenKrupp schluckt HDW:

Fit für die Aufrüstung Europas

Nach langem Hin und Her ist der Deal nun so gut wie abgeschlossen: HDW wird an ThyssenKrupp verkauft und mit dessen Rüstungsschmieden in Hamburg (Blohm + Voss, 1078 Mitarbeiter) und Emden (Thyssen-Nordseewerke, TNSW, 1494 Mitarbeiter) fusioniert. Bei HDW arbeiten am Kieler Hauptstandort derzeit rund 3100 Arbeiter und Angestellte, aber ein Abbau ist bereits geplant und wird durch die Fusion vermutlich noch größer Ausfallen. HDW-Eigner One Equity Partners (OEP) erhält 240 Millionen Euro in Bar sowie 25 Prozent der Anteile des neuen Unternehmens. OEP hatte 2002 HDW übernommen, nach dem zuvor HDW unter der Ägide des WestLB mit mehreren Auslandserwerbungen ausgebaut und der Eigner Babcock-Borsig AG pleite gemacht hatte. Ein bereits seinerzeit geplanter Einstieg von ThyssenKrupp war zunächst gescheitert, vermutlich unter anderem an dem hohen Betrag, den OEP zu zahlen bereit war. Insgesamt hatte man für den Kauf, der in mehreren Etappen erfolgte, 814 Millionen Euro aufgewendet.

HDW ist Weltmarktführer im Bau von konventionellen U-Booten und erzielt einen Umsatz von 1,7 Mrd. Euro. Nach Angaben der Financial Times Deutschland beträgt ihr Weltmarktanteil 75 Prozent. Die anderen beiden Werften haben dem gleichen Bericht zufolge mit 60 Prozent eine ähnliche Stellung auf dem Markt für Fregatten. Zu HDW gehören nach einer Einkaufstour ab 1999 die Unternehmen Hellenic Shipyards Co. (HSY) in Skaramanga (Griechenland); Kockums AB in Malmö und Karlskrona (beides in Schweden), HDW-Nobiskrug GmbH in Rendsburg, HDW-Hagenuk Schiffstechnik GmbH (HST) in Hamburg und Kiel, HFCS - HDW Fuel Cell Systems in Kiel und MARLOG Marine Logistik GmbH ebenfalls in Kiel. An letzterer hat HDW einen Anteil von 50 Prozent, die anderen sind alles 100-prozentige Töchter der HDW-Gruppe. Der Einstieg bei einem australischen U-Bootbauer scheiterte am Widerstand der US-amerikanischen Konkurrenz.
Die Konkurrenzsituation mit den USA spielte auch beim Zustandekommen der jetzigen Fusion eine wichtige Rolle. Die Bundesregierung hatte unter anderem mit ihrem Einspruch gegen den Export von U-Booten nach Taiwan dafür gesorgt, dass OEP dien Werft-Konzern nicht an US-amerikanische Interessenten verkaufen konnte. Gleichzeitig hatte man bereits seit Ende der 1990er Jahre auf eine „nationale Lösung“ hingearbeitet, um die Kontrolle über die maritime Rüstungstechnologie nicht zu verlieren. (Auf allen an der Fusion beteiligten Werften spielt die zivile Produktion nur noch eine Nebenrolle.) In diesem Zusammenhang ist auch zu sehen, dass man sich zunächst im letzten Herbst nicht sehr erfreut über das Interesse des französischen Thales-Konzerns gezeigt hatte, HDW zu übernehmen. Zwar hat man nicht grundsätzlich etwas gegen die Zusammenarbeit, möchte aber das Heft nicht aus der Hand geben. Das machte auch Bundeswirtschaftsminister Clements deutlich, der nach der Bekanntgabe des Deals laut KN verkündete, man sei nun für den weiteren Werften-Konzentrationsprozess in Europa gestärkt. Auch von ThyssenKrupp gab es Signale, dass man sich nach französischen Partnern umsehen werde. Von verschiedenen Seiten wurde das Beispiel des deutsch-französischen Luft- und Raumfahrtskonzerns EADS als Vorbild für die Werftindustrie zitiert, an dem die deutsche DaimlerChrysler AG einen maßgeblichen Anteil hält. EADS macht einen wesentlichen Teil seiner Umsätze in der Rüstungsproduktion.

Die Werftenfusion ist also im größeren Zusammenhang des Aufbaus einer europäischen, das heißt vor allem deutsch-französischen Rüstungsindustrie zu sehen, die von den USA unabhängig ist. Im Zusammenhang damit plant die Bundesregierung – ausnahmsweise einmal gegen den Widerstand des Bundesverbandes der Deutschen Industrie – das Außenwirtschaftsgesetz zu ändern, damit der Verkauf von Rüstungsbetrieben an ausländische Unternehmen künftig zustimmungspflichtig wird. Parallel zu dieser Industriepolitik werden in der EU militärische Kommandostrukturen, eine Art Beschaffungsamt, eine militärisch-politische Analyseinstitution und eine gemeinsame Armee aufgebaut.

Mit der Fusion wird HDW, einer der größten industriellen Arbeitgeber in Kiel, in diesen Prozess eingebunden. Das ist eine Hypothek für die Stadt, da ihre wirtschaftliche Entwicklung vom Geschäft mit dem Tod abhängig gemacht wird. Zeit also, die alte Diskussion über Rüstungskonversion neu zu beleben, zumal die geplanten Entlassungen zeigen, dass alle Hoffnungen auf sichere Arbeitsplätze pure Illusion sind.
 

(wop)