Fortsetzung des Kongresses vor Ort:

Vernetzen und Themen bündeln

Mit mehr als 2000 BesucherInnen stieß der Perspektivenkongress, den attac, ver.di und zahlreiche Initiativen und Verbände vom 14. – 16. Mai in Berlin ausgerichtet haben, auf ein weit größeres Interesse als erwartet. Dennoch waren nicht alle gesellschaftlichen Gruppen, die es angeht, angemessen vertreten – am auffälligsten war wohl das weitgehende Fehlen von Organisationen der MigrantInnen. Die Ergebnisse des anschließenden Vernetzungstreffens fassen die Veranstalter wie folgt zusammen.

Der Perspektivenkongress in Berlin endete nicht mit dem offiziellen Abschlusspodium, sondern mit einem Vernetzungstreffen: Rund 90 interessierte Teilnehmerinnen und Teilnehmer setzten sich zusammen, um zu beraten, wie die Inhalte des Kongresses weitergetragen werden könnten.

Einigkeit gab es schnell über das formale Vorgehen: Die engagierten Gruppen, die auf dem Kongress miteinander ins Gespräch gekommen waren, sollten jetzt örtlich und regional aufeinander zugehen und die Themen des Kongresses zum Gegenstand gemeinsamer Aktivitäten machen. Der Kontakt zwischen lokalen Gewerkschaftsorganisationen und den örtlichen politisch aktiven Gruppen wurde besonders empfohlen. Das könne z. B. schon damit beginnen, dass sich nichtgewerkschaftliche Gruppen bzw. gemeinsame Foren in Gewerkschaftshäusern treffen.

Nicht ganz so einfach war es bei der Frage, welche Themen Gegenstand gemeinsamer Aktivitäten sein könnten. Horst Schmitthenner von der Industriegewerkschaft Metall machte namens des Kongress-Vorbereitungskreises den Vorschlag, die Fülle der Inhalte in vier Themengruppen zu bündeln. Die Diskussionsteilnehmer griffen den Vorschlag im wesentlichen auf und trugen Details zur inhaltlichen Ausgestaltung bei:

- Arbeit und Armut

Darunter fallen Themen wie Niedriglohn-Strategien, Umbau des Sozialsystems, Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe, Fragen der Eigentumsverteilung; Arm und Reich, öffentliche Armut und privater Reichtum, Ausbeutung der Dritten Welt, alternative Wirtschaftspolitik, Sozialabbau allgemein, Steuergerechtigkeit, Forderungen nach Rückkehr zum Sozialstaat ...

- Arbeitszeitverlängerung (bzw. -verkürzung)

Einzelthemen: Arbeitsdruck im Betrieb, Gesundheitsprobleme, Tariffragen, Ladenöffnungszeiten, Forderung nach der 30-Stunden-Woche ...

- Privatisierungswahn

Einzelthemen: Fragen der öffentlichen Daseinsvorsorge, Wasser, Stadtwerke, Schulen, Hochschulen, Bürger- oder Privatversicherung, Gesundheitswesen, GATS-Forderungen, politische Entscheidungsverlagerung auf die Wirtschaftsebene, Entdemokratisierung ... - Standortkonzepte, Standortkonkurrenz

Einzelthemen: Konkurrenz statt Kooperation und was dabei herauskommt - lokal, regional, national, international; zukunftstaugliche Modelle einer Kooperation, Konkurrenzen in der EU, Entwicklungsmodelle für die Dritte Welt ...

Es zeigte sich jedoch, dass diese vier Punkte nicht das gesamte Themenspektrum abdecken. Es wurden noch folgende Themenbereiche genannt, die sich nicht ohne weiteres unter die o. a. vier Punkte subsumieren lassen:

- Die Sozialverbände lassen sich nicht mobilisieren, wenn die Themen ausschließlich auf die Erwerbsarbeit zielen. Aber die Mitglieder dieser Gruppen seien vom Sozialabbau wesentlich betroffen.

- Mehrere Diskussionsteilnehmer/innen brachten die Themenfelder Ökologie und Wachstum zur Sprache. Stichworte: Ende des Wachstums; Subsistenzwirtschaft; Versuche, anders zu leben; Hinweise darauf, das eigene Leben zu ändern ...

Ein Teilnehmer erhielt Beifall für seinen Hinweis, er vermisse die Thematisierung der deutschen Bildungskatastrophe, die freilich durchaus unter dem Punkt “Arbeit und Armut” Platz finden könnte. Ein anderer Hinweis betraf weniger die Einzelthemen, dafür aber die allgemeine politische Strategie: Es sei im Hinblick auf die Bewegungen in anderen Ländern eine “internationale Argumentation” notwendig; man müsse jetzt auch den “Kampf um Begriffe” beginnen. Als Generalthema wurde vorgeschlagen: “Es ist genug für alle da”; ein anderer meinte, die Themen sollten immer so gewählt werden, dass mit den Worten “für alle” enden. Der Beifall dafür hielt sich in Grenzen.

Fazit: Die allgemeine gesellschaftskritische Richtung war deutlich, aber ein Generalmotto für die Aktivitäten der nächsten Zeit fand sich so schnell nicht. Indessen stehen die nächsten Aktionstermine fest: Im Oktober findet in London das Europäische Sozialforum statt. Auch ein deutsches Sozialforum ist geplant; das Vorbereitungstreffen dafür ist im Juli. Schließlich droht für viele Menschen zum Jahresbeginn 2005 ein neuer Schritt in die Armut, wenn die Hartz-IV-Regelungen (Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe) in Kraft treten, was verhindert werden solle. Vielleicht, so Sven Giegold von Attac, ließe sich der Buß- und Bettag als Aktionstag besetzen; so bekäme man auch die Kirche ins Boot.

Der Trägerkreis des Perspektivenkongresses wird nun die Ergebnisse des Kongresses und des Vernetzungstreffens auswerten und die nächsten Schritte beraten.