Zum Zuwanderungsgesetz:

Entscheidungsstopps statt Bleiberechtsregelung

Der Kieler Flüchtlingsrat befürchtet die Festschreibung flüchtlingspolitischer Restriktionen im weiteren Zuwanderungsgesetzverfahren. Wir dokumentieren seine Erklärung:

“Der zwischen Kanzler und OppositionsführerInnen am Sonntag, den 25. Mai erzielte Kompromiss zum Zuwanderungsgesetz ist nur ein Zwischenergebnis. Dass die Ausformulierung des endgültigen Gesetzesvorschlages ohne parlamentarische Legitimation dem Triumvirat Schilly-Beckstein-Müller anheimgestellt worden ist, lässt aus Sicht des Flüchtlingsrates Schleswig-Holstein nichts Gutes erwarten.

Der Stand der verabredeten Prinzipien lässt für die im Lande lebenden Flüchtlinge kaum Verbesserungen in Rechtslage und Verwaltungspraxis erwarten:

- Das Fehlen einer Bleiberechtsregelung für bis dato Geduldete ist ein fatales Defizit. Hier wurde einmal mehr die Chance vertan, den faktischen Integrationsleistungen der Betroffenen gerecht zu werden und für eine Entlastung bei Verwaltungen und Gerichten zu sorgen.

- Der Konsens beseitigt mit dem Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten auch die Weisungsunabhängigkeit der Einzelentscheider beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (BAFl). Ersteres ist zu begrüßen. Letzteres birgt die Gefahr, dass die bisher durch den Bundesbeauftragten verantwortete Verhinderung positiver Einzelentscheidungen beim BAFl künftig über Weisungen zur Gängelung der Einzelentscheider gewährleistet werden wird. Das unsägliche Instrument der vom BMI gerade in Situationen besonderer Gefährdungslagen gern verfügten und von den Gerichten regelmäßig faktisch nachvollzogenen  "Entscheidungsstopps" bleibt offenbar auch künftig erhalten.

- Die Umsetzung einer Härtefallregelung soll offenkundig in das willkürliche Ermessen der Landesregierungen gestellt werden und wird damit für eine bundesweit ausgesprochen heterogene Rechtslage und uneinheitliche Anwendungspraxis sorgen.

- Die Anerkennung nichtstaatlicher und geschlechtsspezifischer Verfolgung ist auf das Verwaltungszweifeln anheim gestellte Institut einer "Kann-Bestimmung" reduziert.

- Asylberechtigte und Flüchtlinge mit „kleinem Asyl“ werden rechtlich gleich- und bleiberechtlich unsicherer gestellt: regelmäßige Überprüfung der Anerkennung und des Aufenthaltes nach 3 Jahren.

- Der im Interesse von Aufnahmegesellschaft und der Betroffenen dringend notwendige regelmäßige Zugang zu den über Bundesmittel finanzierten Integrationsangeboten ist für Flüchtlinge mit vorübergehendem Status derzeit nicht geklärt.

- Der "Ermessensausweisungsgrund" gegenüber "geistigen Brandstiftern" läuft ohne verbindliche Definition Gefahr, zur Aushebelung des Grundrechts auf Meinungsfreiheit missbraucht zu werden, sowie der Denunziation und der Verwaltungswillkür Tür und Tor zu öffnen.

- Die Ummünzung von Integrationskursen als ordnungspolitische Gängelungsinstrumente konterkariert mögliche integrationspolitische Erfolge und Nachhaltigkeit schon im Ansatz.

- Eine Besserstellung von Kinderflüchtlingen, insbesondere unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge, wird in der verlautbarten Einigung einmal mehr sträflich vernachlässigt.

Insgesamt bleibt die endgültige Formulierung des Gesetzentwurfes abzuwarten. Wenn darüber endgültige Einigung erzielt werden kann, soll dieser am 9. Juli bei einer Sondersitzung des Deutschen Bundestages verabschiedet werden. An das Gesetzgebungsverfahren schließt allerdings die Erarbeitung und der Erlass der relevanten Verwaltungsverordnungen an. Ob dies bis Jahresende abgeschlossen sein wird, ist ungewiss. Damit auch das Datum des Inkrafttretens des Gesetzes.

(Presseerklärung des Flüchtlingsrates Schleswig-Holstein)