Drittes Europäisches Sozialforum:

Vorbereitungen für London laufen

Etwas über 200 Delegierte aus ganz Europa sowie einige Gäste von anderen Kontinenten kamen vom 18. bis zum 20. Juni in Berlin zusammen, um über die Vorbereitung des dritten Europäischen Sozialforums zu beraten. Nach Florenz 2002 und Paris 2003 soll es dieses Jahr in London stattfinden, wo bereits ein Kongresszentrum angemietet wurde. Zu dem Megaereignis im Oktober werden erneut 50.000 Menschen erwartet.

Die Bewegung der Sozialforen wurde im Januar 2001 mit dem ersten Weltsozialforum in Porto Alegre geboren und hat sich seit dem rasch zum Selbstläufer entwickelt. In vielen Ländern nicht zuletzt in Lateinamerika und Afrika wurden die Foren, die schon bald auch auf der nationalen und kontinentalen Ebene abgehalten wurden zum Brennpunkt, der verschiedenste Bewegungen, Nachbarschaftskomitees, Gewerkschaften, Bauernorganisationen, Frauen- und Jugendgruppen und so weiter an einen Tisch bringt. Auf den Foren kann man einander von seinen Problemen erzählen, feststellen, dass viele ähnliche Sorgen haben und daraus gemeinsame Kampagnen und Aktionen entwickeln. So kam zum Beispiel der weltweite Aktionstag gegen den Irak-Krieg, an dem am 15. Februar 2003 mindestens 15 Millionen Menschen auf allen sechs Kontinenten gleichzeitig auf die Straße gingen aufgrund eines Aufrufs der sozialen Bewegungen am Ende des erste europäischen Sozialforums in Florenz zu stande. Auch die Initiative für den europäischen Aktionstag gegen Sozialabbau am 3. April ging von einem europäischen Sozialforum (ESF) aus. Oder genauer: von der Versammlung der sozialen Bewegungen zum Abschluss des zweiten ESF 2003 in Paris. Diese Versammlungen werden von allen Interessierten am Ende der Sozialforen abgehalten und sind von diesen selbst formal getrennt. Der Grund: Damit sollen die Foren von allen Abstimmungen und Initiativen gehalten werden, über die abgestimmt werden müsste. Damit sollen Richtungsstreits vermieden und die Foren für alle offen gehalten werden, die auf der Grundlage der Plattform des Weltsozialforums stehen.

Inzwischen laufen die Vorbereitungen für das dritte ESF auf vollen Touren. Dafür finden jeweils mehrere „europäische Versammlungen“, wie die in Berlin statt. Zugleich hat sich in Großbritannien ein breites Bündnis für die Organisierung gebildet. Mit von der Partie sind verschiedene Gewerkschaften und linke Parteien, sowie die starke Friedensbewegung. Nach anfänglichen Reibereien sowohl in Großbritannien als auch auf der europäischen Ebene hat man sich langsam zusammengerauft. Die Verhandlungen über die diversen Details des Programms und des organisatorischen Rahmens seien wesentlich solidarischer geworden, als noch auf den vorhergehenden Gesprächen, hieß es in Berlin von verschiedenen Insidern sowohl aus Deutschland als auch aus Griechenland.

Dennoch gab es in Berlin keinen Mangel an Konfliktstoff. So wurde zum Beispiel von verschiedenen Seiten die Einrichtung eigenständiger Bereiche – oder Räume, wie es in der Sprache der Sozialforen heißt –  für die Jugend und die Frauen gefordert. Gegnerinnen und Gegner der Vorschläge führten dagegen an, dass beide Gruppen in das Programm integriert werden müssten und ein eigener Raum zu ihrer Isolierung beitrüge. Außerdem vermissten einige britische Redner
Finanzierungsvorschläge, denn zusätzliche Veranstaltungsorte müssten auch bezahlt werden. Die Finanzen seien dieses Jahr deutlich knapper als in den Jahren zuvor.
Nach heftigen Auseinandersetzung einigte man sich schließlich auf weitere Konsultationen bis zum nächsten Vorbereitungstreffen. Ähnlich hitzig verlief die Debatte über einen Vorschlag, radikaleren Gruppen ein unabhängiges Forum zu bieten, der schließlich angenommen wurde. Noch heftiger stritt man über die Forderung eines Teils der britischen Teilnehmer, die großen Plenarsitzungen über den Irak und Palästina zusammenzulegen, der letztendlich abgelehnt wurde.

Nach langen Debatten konnte aber immerhin der Rahmen des Programms abgesteckt werden, das in fünf Themenachsen unterteilt sein wird. Im Einzeln sind dies: Globalisierung der Konzerne und globale Gerechtigkeit, Gegen Rassismus, Diskriminierung und Rechtsextremismus, Die Krise der Umwelt und eine Nachhaltige Gesellschaft, Krieg und Frieden, Demokratie und Grundrechte sowie Soziale Gerechtigkeit und Solidarität: Gegen Privatisierung, für Arbeiter- und Frauenrechte. Zum Abschluss des Forums ist eine internationale Großdemonstration gegen Sozialabbau und die Besetzung des Iraks geplant.

Anwesend waren in Berlin auch einer ganze Reihe Vertreter des Istanbuler Sozialforums und anderer türkischer Organisationen, die unter anderem über die Vorbereitungen der Aktionen gegen den kurz nach Redaktionsschluss stattfindenden NATO-Gipfel in ihrer Stadt berichteten. Auch einige Mitglieder für ein iranisches Sozialforum nahmen an den Diskussionen teil.

Hugo Braun von der Initiative für ein Sozialforum in Deutschland wies am Rande des Berliner Treffens darauf hin, dass man auch hierzulande endlich ein bundesweites Sozialforum vorbereite. Voraussichtlicher Termin ist der Juli nächsten Jahres. Als Ort sei Erfurt in der engeren Wahl. In Deutschland gibt es bereits in mehreren Dutzend Städten lokale Sozialforen, die zum Teil stark im Kampf gegen die „Agenda 2010“ und andere Maßnahmen des Sozialkahlschlags engagiert sind.

(wop)