Innenministerkonferenz:

Kein Bleiberecht in Sicht

Auf dem Programm der IMK (siehe obigen Artikel) stand auch die Frage nach Bleiberechtsregelungen für Flüchtlinge aus Afghanistan, dem Irak, Tschetschenien und dem Kosovo. Bayern hatte im Vorfeld provokativ angekündigt, mit Abschiebungen in den Irak zu beginnen. Entsprechend enttäuschend fiel das Ergebnis der IMK aus, auf der das Einstimmigkeitsprinzip gilt. Wir sprachen mit Martin Link vom Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein über die Resultate der Konferenz.             (wop)

LinX: Die Innenminister von Bund und Ländern haben sich auf ihrer Konferenz nicht zu einer dauerhaften Bleiberechtsregelung für Flüchtlinge aus dem Irak, dem Kosovo, Afghanistan und Tschetschenien durchringen können. Was bedeutet das für die betroffenen Menschen?

Martin Link (M.L.): Die Afghanen zum Beispiel, die in den letzten Jahren nach Deutschland kamen, sind oft in die Duldung gedrängt worden. Asylanträge wurden durchgehend mit der Begründung abgelehnt, es gebe in Afghanistan keine staatliche Verfolgung mehr. Viele haben daher gar nicht erst einen Antrag gestellt. Länger hier lebende afghanische Flüchtlinge haben meist eine Aufenthaltsbefugnis bekommen, das heißt sie können arbeiten oder eine Berufsausbildung machen und sich freier bewegen. Wer hingegen bloß eine Duldung hat, der darf keine Arbeit annehmen und ist durch die so genannte Residenzpflicht an seinen Kreis oder seine kreisfreie Stadt gebunden, die er nicht verlassen darf. Die Befugnisse werden befristet erteilt, meist für ein oder zwei Jahre, manchmal auch bloß für ein halbes Jahr. Seit einigen Monaten ist zu beobachten, dass Ausländerbehörden die Befugnisse nicht mehr verlängern, sondern in Duldungen umwandeln.

LinX: Das heißt diese Menschen, die nur eine Duldung haben, leben ständig mit dem Damoklesschwert einer baldigen Abschiebung über ihrem Kopf?

M.L.: Ja. Das trifft nicht nur die Afghanen, sondern auch die anderen Menschen, denen die IMK eine Bleiberechtsregelung verwehrt hat, und viele Flüchtlinge aus anderen Ländern. Eine Duldung ist eigentlich kein richtiger Aufenthaltstitel. Wer eine Duldung hat, bei dem ist festgestellt worden, dass er sich nicht legal in der Bundesrepublik aufhält. Die Duldung dient dazu, der Zeit bis zur Abschiebung irgendwie einen legalen Rahmen zu geben. Der Betreffende bleibt ausreisepflichtig, auch wenn er es faktisch oft gar nicht kann, er darf nicht arbeiten und nicht einmal eine weiterführende Schule besuchen. Erschwerend kommt hinzu, dass es für die Duldungsfristen keine festen Regeln gibt. Manche Ausländerbehörden verlängern Duldungen tageweise, andere wochenweise, wieder andere monats- oder halbjahresweise. Möglich sind maximal zwölf Monate.

LinX: Wie lange kann sich das hinziehen?

M.L.: Über Jahre. Das wird von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich gehandhabt. In Hamburg gibt es zum Beispiel Familien, die wöchentlich viele Stunden auf der Ausländerbehörde verbringen müssen, und zwar jedesmal mit Kind und Kegeln, um eine Verlängerung ihrer Duldung zu bekommen. Ein normales Leben, soziale Kontakte und so weiter sind so natürlich kaum möglich.

LinX: Auch viele Tschetschenen werden nach dem IMK-Beschluss weiter in der Luft hängen. Asyl wird ihnen meist mit dem Hinweis auf so genannte inländische Fluchtalternativen verweigert. Sind die realistisch?

M.L.: Nein. Nach den uns vorliegenden Informationen ist das reine Theorie. Schon seit Jahren, seit dem der Krieg eskaliert, sind Tschetschenen und Menschen aus anderen Kaukasus-Republiken in der Russischen Föderation einer rassistischen Verwaltungspolitik und auch einer rassistischen Stimmung in der Gesellschaft ausgesetzt. Für Tschetschenen, die nach Russland abgeschoben werden, heißt das, dass sie dort zum Beispiel keine Meldebestätigung bekommen. Dadurch erhalten sie keinen Wohnraum zugeteilt, fallen aus der sozialen Fürsorge raus und haben keine Möglichkeit, eine legale Arbeit anzunehmen. Das sind sicherlich keine Rahmenbedingungen, die man als inländische Fluchtalternative bezeichnen könnte.

LinX: Wie geht es nach der Innenministerkonferenz weiter?

M.L.: Die Bundesländer werden die IMK-Ergebnisse mittelfristig unterschiedlich umsetzen. In Schleswig-Holstein kann ein Teil der Betroffenen auf die Härtefallregelung des Zuwanderungsgesetzes hoffen und sich schon jetzt in besonders akuten humanitären Fällen an die Härtefallkommission wenden, um drohende Abschiebungen zu verhindern oder überprüfen zu lassen. Andere Länder werden die Beschlüsse restriktiver auslegen. Vor allem werden jene Länder, an denen eine Bleiberechtsregelung gescheitert ist, nun den Druck auf das Bundesinnenministerium erhöhen. Sie wollen dass die Bundesregierung eine Vereinbarung mit Afghanistan über die Abschiebung hier lebender Flüchtlinge abschließt. Ohne ein solches so genanntes Memorandum of Understanding ist nämlich eine Abschiebung nicht möglich.

LinX: Einige Landesinnenminister, wie der schleswig-holsteinische, haben zu Protokoll gegeben, dass sie eine Bleiberechtsregelung für Minderheiten aus dem Kosovo für geboten halten. Wird das für die betroffenen Roma und andere Konsequenzen haben?

M.L.: Das kommt darauf an, ob diese Innenminister nun – nach dem sie A gesagt haben – auch B sagen. Die Protokollnotiz hat ausländerrechtlich zunächst keinerlei Konsequenzen. Anders wird es, wenn diese Länder sich entscheiden, für die betroffenen Gruppen einen Abschiebestopp zu erklären. Das wäre nach dem Ausländerrecht für ein halbes Jahr möglich und für weitere sechs Monate, sollte es neue Erkenntnisse geben. Danach müsste auf jeden Fall der Bundesinnenminister einer weiteren Verlängerung zustimmen. Das ist allerdings nicht zu erwarten, denn Otto Schily war derjenige, der in Kiel am heftigsten gegen eine Bleiberechtsregelung für Kosovo-Flüchtlinge argumentiert hat. Sein Ministerium verhandelt mit der UN-Verwaltung im Kosovo derzeit über eine Neuauflage des ausgelaufenen Memorandums of Understanding für die Übernahme von Angehörigen von kosovarischen Minderheiten. Die Position der UN-Verwaltung ist allerdings noch offen.