Kommentar:

Heißer Herbst?

Am 9. Juli hat auch der Bundesrat der Einführung des so genannten Arbeitslosengeldes II zugestimmt. Damit nimmt der wahrscheinlich massivste Einschnitt in die sozialen Rechte der Lohnabhängigen in der Geschichte der Bundesrepublik langsam Gestalt an. "Von den zwei Millionen Arbeitslosenhilfebeziehern werden 565.000 gar keine Leistungen mehr erhalten und 979.000 ab dem 1. Januar 2005 deutlich weniger Geld bekommen", schätzt Adolf Bauer vom Sozialverbandes Deutschland. Die ersten umfangreichen Fragebögen an die Betroffenen wurden bereits verschickt und scheinen schlimmste Befürchtungen zu bestätigen: Den Arbeitslosen wird nicht nur das Geld gestrichen – Versicherungsansprüche, für die die Älteren unter ihnen mehrere Jahrzehnte eingezahlt haben – sondern sie und ihre Angehörigen müssen vor den Sachbearbeitern einen entwürdigenden Striptease machen.

Die neuen Gesetze werden zusammen mit den Angriffen auf Rente, Krankenversicherung und 35-Stunden-Woche die Verarmung größerer Teile der  Lohnab- hängigen einläuten. Ein Angriff auf die materielle Lage der Arbeiterklasse wie ihn sich die Kohl-Regierung nie getraut hätte. Doch anders als bei anderen  „Zu- mutungen“ der grün-sozialdemokratischen Regierung hält die SPD-Anhängerschaft nicht mehr zähneknirschend still. Die SPD steckt in der wohl schwersten Legitimitätskrise ihrer Geschichte. Ihr laufen nicht nur die Wähler weg, sondern man kann sagen, dass das sozialdemokratische Milieu zerbricht. Und das ist zumindest etwas, das hoffen lässt, denn es eröffnet neue Mobilisierungsmöglichkeiten. Zum einen ist die Zeit vorbei, da Gewerkschafter gelähmt waren, weil es doch "ihre" Regierung war, die da den sozialen Kahlschlag veranstaltete. Zum anderen hinterlässt die SPD ein Vakuum, in dem die Linke Terrain zurückerobern könnte.
Aber zunächst geht es ganz konkret darum, dem anrollenden Zug aufzuhalten oder doch zumindest zu verlangsamen. Die Bedingungen dafür sind so schlecht nicht: Noch gibt es zahlreiche ungelöste technische Probleme bei der Zusammenlegung des ALG II mit der Sozialhilfe. Außerdem murren die Kommunen über zusätzliche Lasten. Um so wichtiger ist es, dass sich jetzt überall Initiativen gegen Hartz IV bilden, dass die verschiedenen Vorschläge für eine Herbstkampagne diskutiert und ein heißer Herbst mit dezentralen, regionalen und zentralen Aktionen vorbereitet wird. Das Kieler Sozialbündnis kann sicher noch Mitstreiter gebrauchen.

(wop)