“Am besten wir kämpfen und halten zusammen”
In Deutschland ist ein erbitterter Streit um niedrigere Lohnkosten,
durch Verlängerung der Arbeitszeit, ohne Lohnausgleich, entbrannt.
Nachdem die IG Metall und die Betriebsräte in der Auseinandersetzung
über Produktionsverlagerung oder Arbeitszeitverlängerung an den
Siemens-Standorten Bocholt und Kamp-Lintford nachgegeben haben und an beiden
Stand-Orten nun 40 Stunden wöchentlich, natürlich ohne Lohnausgleich,
gearbeitet wird, sind in Sachen Arbeitszeitverlängerung alle Tore
weit geöffnet worden. So versuchten auch die DaimlerChrysler-Kapitalisten,
erfolgreich, jährlich 500 Mio. Euro Lohnkosten einzusparen.
Mehrere zehntausend DaimlerChrysler-KollegInnen hatten gegen den Lohnraub
der Auto-Kapitalisten in Sindelfingen demonstriert und massive Warnstreiks
durchgeführt. Auch in den nicht betroffenen Werken zeigten sich die
KollegInnen solidarisch. Weitere Proteste und Warnstreiks gab es in Stuttgart-Untertürkheim,
Mannheim, Wörth, Bremen, Hamburg, Berlin, Kassel, Gaggenau und Rastatt.
Ein Sprecher der NUMSA, Nationale Gewerkschaft der südafrikanischen
Metallarbeiter, erklärte “dass die Planung des DaimlerChrysler Vorstands
für das Werk in Südafrika unabhängig von der Produktion
in Sindelfingen ohnehin geplant ist, müsste dort die Arbeitszeit bei
weiterer Erhöhung der Kapazitäten auf 45 Stunden wöchentlich
erhöht werden. Die NUMSA lehnte es zudem ab, sich zum Werkzeug gegen
die KollegInnen in Deutschland machen zu lassen.”
Weiter kamen u.a. Solidaritätserklärungen “von Bandarbeiter
zu Bandarbeiter” aus zwei Montageabteilungen des Opel-Werks in Bochum und
die Soli-Erklärung der VKL Opel Bochum. In der Erklärung heißt
es u.a. “ Es gibt keinen Grund mit den Erpressern weiterzuverhandeln und
irgendwelche Zugeständnisse zu machen. Wer sagt denn, dass wir uns
noch über den Grad der Verschlechterung streiten dürfen? Es wird
Zeit, dass wir den Spieß umdrehen und in die Offensive kommen! Schließen
wir uns in allen Betrieben, über Branchen- und Ländergrenzen
hinweg zusammen. Das hat Perspektive!”
Es wurde weiter verhandelt und trotz der massiven Proteste hat DaimlerChrysler den Lohnraub durchsetzen können. Den größten Teil der Einsparungen kommt aus Einschnitten beim Entgeldrahmentarifvertrag, der die Angleichung der Löhne von ArbeiterInnen und AngestelltInnen zum Ziel hatte. Auf eine für 2006 schon zugesagte Erhöhung von 2,79 Prozent müssen rund 140.000 der 160.000 KollegInnen verzichten. Die bisher nach dem höheren Metalltarif bezahlten MitarbeiterInnen in Kantinen etc. werden zukünftig nach einem Dienstleistungstarifvertrag bezahlt. Sie müssen jetzt mehr arbeiten und bekommen weniger Geld. Die 20.000 Beschäftigten im Bereich Forschung und Entwicklung können ab sofort 40 Stunden pro Woche ohne Überstundenzuschlag beschäftigt werden. Im Gegenzug sicherte der Autokonzern “seinen Beschäftigten” bis 2012 den Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen zu. Man kann allerdings bezweifeln, dass sich der Konzern an die Garantie gebunden hält.
Der erste Vorsitzende der IG Metall, Jürgen Peters, hat den “Kompromiss” als eine “gute Lösung für den Standort Deutschland bezeichnet”. “Die Arbeitsplätze bleiben langfristig abgesichert. Das ist ein Erfolg, den man nicht hoch genug bewerten kann”, sagte Peters. “In einer Zeit, in der einige den Kündigungsschutz abschaffen wollen, um angeblich Arbeitsplätze zu schaffen, ist der Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen für acht Jahre ein wichtiges Signal. Dabei dürfe man aber nicht verkennen, dass die Beschäftigten dafür schmerzliche Opfer gebracht hätten.“ sagte Peters weiter. Der zweite Vorsitzende der IG-Metall, Berthold Huber, sagte: “Der Kompromiss macht deutlich, welche Flexibilität die Tarifverträge der Metallindustrie bieten. Die Sicherung der Standorte und der Beschäftigung sei ohne substanzielle Einschnitte in die Tarifverträge gelungen”.
Ein IG-Metall-Vertrauensman bei DaimlerChrysler brachte es auf den Punkt, er sagte “ Ein noch größerer Dammbruch als im Fall Siemens. Die Daimlerbelegschaft weist einen sehr viel höheren Organisationsgrad als die von Siemens auf und ist traditionell äußerst kampfstark. Wenn es Firmenbossen unter solchen Vorraussetzungen gelingt, ihre Pläne durchzuziehen, stellt dies einen gewaltigen Rückschlag für die Gewerkschaften dar … Wenn bei Daimler als dem größten und stärksten Unternehmen solche Verschlechterungen vollzogen werden, kann das nur katastrophale Folgen haben. Die Sozialpartnerschaft ist passé, Klassenkampf steht auf der Tagesordnung…”.
(hg)