Kernspalte

Warum nochmal eine Kernspalte? Weil Atompolitik nicht mehr Ländersache ist, sondern europäisch. Wer dies bis jetzt noch nicht geglaubt hat, wird durch Äußerungen der EU-Kommissarin Loyola de Palacio eines Besseren belehrt. Seit langem sind die Pläne der durch demokratische Strukturen nur unzulänglich legitimierten EU-Kommission bekannt, eine Renaissance der Atomkraft unter dem Deckmantel des Klimaschutzes zu organisieren, bei der selbst als “Atomausstieg” missverstandene Stillhalteabkommen des deutschen Umweltministers stören. Voraussetzung dafür ist allerdings eine geklärte Endlagerfrage an nationalen Standorten. War Trittin bisher leichtfertig davon ausgegangen, diese Frage könne aus wahltaktischen Gründen bis weit nach 2020 verschleppt werden, so wird er von der Energiekommissarin jetzt unmissverständlich aufgefordert, einen Standort für das Endlager bis 2008 zu benennen. Da über die EU-Verfassung in Deutschland verfassungsgemäß nicht abgestimmt werden darf, kann es sein, dass nicht nur ihm, sondern auch seinem Nachfolger bald kein Spielraum mehr bleibt - abgesehen davon, dass sein Nachfolger diesen vielleicht auch gar nicht nutzen will. Bis 2008, soviel ist wohl sicher, wird es keine anderen Standorteignungsprüfungen außer einer einzigen geben, bei der es nicht so sehr auf die Eignung des Standorts als vielmehr auf das Vorhandensein eines Erkundungsbergwerks ankommt: Gorleben. Die Region darf getrost annehmen, dass ihr bisheriger Widerstand nicht nur ohne (nachhaltigen) Erfolg war, sondern in Zukunft auf einer höheren und geografisch entfernteren Ebene vorgetragen werden muss.

Das ist umso interessanter, als andernorts der Widerstand gegen Atommüllendlager durchaus erfolgreich ist. Nicht nur in Italien, nunmehr auch im Kernland des Atombombenbaus schlechthin erlitten die Endlagerpläne von Präsident Bush für den Standort Yucca Mountains einen Rückschlag: Die Sicherheitsgarantie für 10.000 Jahre sei unzureichend, da die Halbwertszeit von Plutonium mit 24.400 Jahren deutlich darüber liege, argumentierte ein Gericht im Bundesstaat Nevada. Diese Begründung ist allerdings ebenso unsinnig wie die Vorstellung, damit seien die Pläne gestoppt. Fünf weitere Prozesse stehen an.

Die EU-Kommission demonstriert inzwischen Handlungsfähigkeit: Sie stellte ein Euratom-Darlehen in Höhe von 67 Mio. Euro zur Verfügung, mit dem die ukrainischen AKWs Kmelnitzky 2 und Rovno 4 fertiggestellt werden sollen. Die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung hatte den Bau bereits mit 34 Mio. Euro gefördert. Das Sicherheitsproblem, das hier angeblich durch Nachrüstung bekämpft werden soll, ist wohl überhaupt erst dadurch entstanden.

China hingegen - die Frage hatte ich vor Monaten bereits aufgeworfen - kann auf europäische Technik schon ganz verzichten. Der beschleunigte Bau von zwei Reaktoren im Süden und Osten des Landes ist vom Kabinett genehmigt worden und soll mit eigener Technologie erfolgen. Immerhin sind Europäer insofern beteiligt, als die Fabriken ihrer (Auto-)Konzerne nicht unwesentlich zur Energiekrise beitragen, die damit gemildert werden soll.
 

(BG)