Brennelemente bleiben in Krümmel
Auf dem Gelände des Atomkraftwerks Krümmel in Schleswig-Holstein ist ein sogenanntes Interimslager für hochradioaktiven Atommüll in Betrieb gegangen. Der erste Castorbehälter mit abgebrannten Brennstäben aus dem Reaktor wurde nach Angaben des Betreibers Vattenfall am 5. August eingelagert. Die 1 000 Quadratmeter große Halle bietet Platz für bis zu zwölf Castoren. Das Interimslager soll so lange genutzt werden, bis spätestens 2006 ein Standort-Zwischenlager zur Verfügung steht. Dieses Zwischenlager entsteht ebenfalls auf dem AKW-Grundstück an der Elbe.
An allen AKW-Standorten sind derzeit Zwischen- oder Interimslager im Bau bzw. bereits in Betrieb. Die verstrahlten Brennelemente sollen dort so lange bleiben, bis ein Endlager zur Verfügung steht. Einen Endlager-Standort gibt es aber noch nicht. Im Salzstock Gorleben, der seit Ende der 70er Jahren auf seine Eignung erkundet wird, ruhen derzeit die Arbeiten, nachdem die Bundesregierung ein Moratorium verfügt hat. Die Stromkonzerne und die CDU/CSU machen allerdings mächtig Druck, Gorleben so schnell wie möglich weiter zu erforschen und dort auch das Endlager zu bauen.
Das AKW Krümmel steht seit Jahrzehnten in der Kritik. Zweifel an
der Sicherheit des Kraftwerks tauchten schon beim Bau Anfang der achtziger
Jahre auf. Fachleute bemängelten damals, ein zu hoher Kupferanteil
im Reaktorstahl fördere eine frühzeitige Versprödung. Bei
plötzlichen Druck- und Temperaturschwankungen infolge eines Störfalls
könnte der Reaktordruckbehälter platzen, wurde gewarnt. Prüfer
des TÜV stellten weitere Schlampereien fest.
Auch bei der Montage der Stahlplatten für das Reaktordruckgefäß
gab es Probleme. Die aus Mailand angelieferten Elemente passten nicht richtig
zusammen. Rohrleitungen mussten wegen gravierender Materialfehler wieder
herausgerissen und durch neue Leitungen ersetzt werden.
Fünf Jahre nach der Inbetriebnahme des AKW wurden die ersten Leukämiefälle in der Region bekannt. In der Umgebung wurden immer wieder Spuren radioaktiver Substanzen gefunden - mal in einem Trinkwasserbrunnen oder in Regenwassermessstellen, mal in Hausböden und Baumwurzeln, mal im Wald in Form kleiner Kügelchen. In einer Kastanie und in einem Apfelbaum am Elbufer entdeckte die Physik-Professorin Inge Schmitz-Feuerhake Tritium-Konzentrationen, die drei- bis zehnfach über dem normalen Wert lagen.
Unklar ist bis heute, ob das AKW oder das benachbarte Forschungszentrum die erhöhten Werte verursacht haben. Der Berliner Physiker Sebastian Pflugbeil und die atomkritische Ärzte-Organisation IPPNW vermuten, dass Wissenschaftler in dem Forschungszentrum jahrelang illegal mit Atomwaffen experimentieren und dass die radioaktiven Stoffe bei einem vertuschten Unfall freigesetzt wurden.
(Reimar Paul, junge Welt vom 7.8.04)