ThyssenKrupp fusioniert Werften:

Keine Handelsschiffe mehr in Kiel?

Der ThyssenKrupp-Konzern hat seine Pläne für die deutsche Werftenindustrie vorgelegt. Demnach soll die Produktion der Sparten an jeweils einem Standort konzentriert werden. In Kiel sollen künftig nur noch U-Boote gebaut werden. Der Handelsschiffbau soll hingegen in Emden konzentriert werden, taucht aber unter den vier "strategischen Säulen", die ThyssenKrupp skizziert, nicht mehr auf. Als künftige Schwerpunkte werden im Säulen-Konzept U-Boote, Marineschiffe, Yachten und Reperatur benannt. Wir sprachen mit dem Vorsitzenden des gewerkschaftlichen Vertrauensleutekörpers der IG Metall bei HDW, Ulrich Stangen. (wop)

LinX: HDW soll noch in diesem Jahr in die ThyssenKrupp Werften GmbH eingegliedert werden, von der der bisherige HDW-Eigner OEP aus den USA einen Minderheitenanteil von 25 Prozent erhalten wird. In diesem Zusammenhang hat ThyssenKrupp kürzlich ein Werftenkonzept vorgelegt, das das Aus für den Handelsschiffbau in Kiel bedeutet. Wie viele Arbeitsplätze sind davon betroffen?

Ulrich Stangen (U.S.): In der Größenordnung liegt es etwa bei 500 bis 800 Stellen, die in Kiel verloren gehen könnten. Es geht nicht nur um das Aus für den Handelsschiffbau, sondern für den gesamten Bau von Überwasserschiffen. Künftig würden also auch keine Fregatten oder Korvetten mehr in Kiel gebaut werden. HDW Kiel soll sich ganz auf den U-Bootsbau konzentrieren. Mit Auszubildenden arbeiten derzeit 3050 auf der Werft.

LinX: Was planen die Vertrauensleute?

U.S.: Zunächst geht es darum, die Belegschaft zu einen. Für die Kollegen im U-Bootsbau ist das Konzept ja ganz ansprechend. Das sieht nämlich auch vor, dass die Produktion von U-Booten, die bisher in Kooperation mit den Nordseewerken in Emden erfolgte, vollständig nach Kiel kommt. Die Kollegen müssen sich also nicht mehr über die Schnittstellen ärgern und sehen ihren Arbeitsplatz eher zusätzlich gesichert als gefährdet.
Wir wollen daher eine Unterschriftensammlung machen, in der der Erhalt der Produktvielfalt gefordert wird, denn Monokulturen sind einfach schlecht, auch in der Wirtschaft. Dafür müssen wir unter einem Teil der Kollegen Überzeugungsarbeit leisten und werden einige Kraft darauf verwenden müssen. Wenn das geschafft ist, wird es darum gehen, schrittweise im Betrieb und in der Öffentlichkeit Druck für unsere Forderungen aufzubauen.

LinX: Welche Alternativen gebe es zum Werftenkonzept? Handelsschiffbau funktioniert ja in Deutschland seit vielen Jahren nur mit Subventionen.

U.S.: Ja, weil in Südkorea zu Dumpingpreisen produziert werden. Deswegen ist auch eine Klage der EU-Kommission gegen Seoul vor dem Schiedsgericht der Welthandelsorganisation anhängig. Daher werden in Europa Containerschiffe, Gastanker und andere Frachter mit sechs Prozent der Kosten unterstützt. Im Augenblick gibt es einen kleinen Boom. Die Werften in Mecklenburg-Vorpommern haben einen Auftagsbestand von 30 Containerschiffen und die Thyssen-Nordseewerke in Emden sind bis 2007 ausgelastet. Selbst die Passagierschiff-Werft Meyer baut zur Zeit Containerschiffe. Das hat auch damit zu tun, dass die Werften in Ostasien voll ausgelastet sind.

LinX: Nur HDW macht nicht mit ...

U.S.: Die vier Containerschiffe, die wir derzeit bauen, sollen nach über 150 Jahren die letzten Handelsschiffe sein. Seit 1996 heißt es von den wechselnden HDW-Eignern schon, der Handelsschiffbau einzustellen. Bisher haben wir, der Betriebsrat und die IG Metall, mit der Belegschaft zusammen immer Wege gefunden, dass zu verhindern. Wir haben immer gesagt, dass wir wegen der langen Zyklen im U-Bootsbau einen Ausgleich im Überwasserschiffbau brauchen. Und diesen letzten Auftrag über vier Containerschiffe hat die Belegschaft sich regelrecht mit unbezahlten Stunden sowie Abstrichen beim Urlaubs- und Weihnachtsgeld gekauft.

LinX: Das kann es ja auch nicht sein, oder?

U.S.: Natürlich ist das keine langfristige Alternative. Das haben wir gemacht, um Zeit für Anschlussaufträge zu gewinnen. Dass es die bisher nicht gibt, liegt daran, dass OEP und ThyssenKrupp nicht wollen. Da muss also mehr politischer Druck aufgebaut werden.

LinX: Mit Containerschiffen ließe sich also Geld verdienen, die HDW-Eigner wollen bloß nicht?

U.S.: Nicht unbedingt mit Containerschiffen, aber mit Yachten, kleinen Kreuzfahrern und schnelle Fähren.

LinX: Nun, die Yachten sollen künftig im Hamburg und die anderen zivilen Schiffe in Emden gebaut werden ...

U.S.: Für uns sieht das wie eine feindliche Übernahme aus. HDW bringt mit 4,5 Milliarden Euro den größten Auftragsbestand in die neue Gruppe ein, aber bei uns werden Arbeitsplätze abgebaut. Aber es geht uns nicht darum, den Emdener Kollegen die Perspektive zu nehmen. Wir sagen nur, dass wir eine Werft mit mehreren Standbeinen sein wollen: Über- und Unterwasserschiffbau.

LinX: Wird versucht, die Proteste gegen den Arbeitsplatzabbau auf HDW mit denen gegen Hartz IV zu verbinden?

U.S.: Es waren Leute von uns auf der letzten Montagsdemo dabei, aber es gibt noch keinen offiziellen Aufruf der Vertrauensleute. Ansonsten haben wir zum Thema Sozialabbau bereits eine hervorragende Betriebsversammlung gemacht und sind dabei, uns da einzuarbeiten. Außerdem beteiligen wir uns am Arbeitnehmerbegehren der IG Metall, das Forderungen zur Arbeitszeit sowie Steuer-, Arbeitsmarkt und Gesundheitspolitik beinhaltet.