Studierende und Hartz IV
Auch in Flensburg wird seit Ende August jeden Montag demonstriert. Zu den Aurufern geheören, nach einigem Zögern, auch die örtlichen Gewerkschaften, mit Ausnahme der IG BCE, der das alles zu links ist. Organisiert werden die Demos von einem lockeren Personenbündnis. Die bisher größte Demo fand mit 166 Teilnehmern am 13. September statt. Wir dokumentieren im folgenden eine Rede, die Stefan Godau auf besagter Demo hielt.
"Moin-moin, ich spreche hier heute als Angehöriger einer Bevölkerungsgruppe, die vielleicht noch gar nicht weiß, dass sie auch von den so genannten "Sozialreformen" der Agenda 2010 und Hartz IV betroffen sein wird bzw. sie will es noch nicht wahrhaben. Spricht man mit Studierenden dieser Tage über die Montagsdemos und den Sozialabbau, so bekommt man oft die Antwort "Mich betrifft das doch nicht", "Werde von meinen Eltern unterstützt", "Hab ´nen sicheren Nebenjob" etc. Fakt ist aber, dass gerade Studierende von Hartz IV ganz besonders betroffen sind.
Hierzu meine persönliche Geschichte: Ich bin 27, hab bis vor kurzem in Kiel skandinavische Sprachwissenschaft mit den Nebenfächern Europäische Kulturwissenschaften und Archäologie studiert. Da v.a. die Herren Clement und Hartz uns Tag für Tag einhämmern, man müsse flexibel und mobil sein, könne nicht erwarten, dass es Arbeitsplätze in Wohnortnähe gibt, sondern müsse gegebenenfalls auch einen Orts- und Wohnungswechsel akzeptieren, um die heutigen Erwartungen unserer globalisierten Welt zu erfüllen, machte ich mich also auf den Weg nach Flensburg, um hier mein Dänisch-Studium zu Ende zu bringen, und um später bessere Berufsaussichten zu haben (Grenzregion, Nähe zu Dänemark etc.).
Leider gehöre ich zu den fast 75 Prozent der Studierenden, die
ihr Studium durch Erwerbstätigkeit finanzieren müssen, da dieser
angeblich so "innovative" und soviel für Bildung unternehmende Staat
sich nicht in der Lage sieht, das Recht auf kostenlose Bildung für
alle zu verwirklichen. Die Zustände an den Unis (verrottete Gebäude,
schlechte Ausstattung, Mittelkürzungen etc.) und die nicht anhaltende
Debatte über Studiengebühren sprechen Bände.
Ich also zum Arbeitsamt, um mich für eine Übergangszeit arbeitslos
zu melden. Dort wurde mir mitgeteilt, dass ich erst dann Arbeitslosengeld
bekomme, wenn ich mein Studium aufgebe, da Studierende nicht gleichzeitig
Leistungen beziehen könnten.
Nun bin ich also seit Monaten auf der Suche nach einem Nebenjob. In
einer Stadt wie dieser mit einer derart hohen Arbeitslosigkeit kein leichtes
Unterfangen, aber da erzähl ich hier wohl niemandem etwas Neues.
Ich war bei Bewerbungsgesprächen für schlecht bezahlte Aushilfsjobs mit ebenso schlechten Arbeitszeiten (Abend-, Nachtschicht), wo ich mit teilweise über 50-100 Bewerbern um EINE Stelle konkurrierte!
Wurden solche Jobs noch nicht bis vor allzu langer Zeit eben wegen der
Bezahlung und der schlechten (Clement/Hartz würden wohl sagen: "flexiblen")
Arbeitszeiten bisher hauptsächlich von Studis verrichtet, so werden
durch den drohenden sozialen Absturz, den Hartz IV ab 1.1.05 für viele
bedeutet, auch Menschen dazu gezwungen, solche Jobs anzunehmen, die früher
wahrscheinlich nicht einmal im Traum daran gedacht hätten: Facharbeiter
mit 30, 40 Jahren Berufserfahrung wie Informatiker, kaufmännische
Angestellte etc. So wird die Konkurrenz auf der niedrigsten Ebene geschürt
und die soziale Spaltung noch verschärft!
Spätestens, wenn die Mini-Jobs, die viele Studierende ausüben,
durch 1- bis 2-Euro-Jobs ersetzt werden und die bisherigen Aushilfen entlassen
werden, wird auch der/die letzte StudentIn merken, dass Hartz IV auch sie
betrifft. Dann könnte es allerdings zu spät sein.
Treten wir also der Spaltung der Regierenden selbstbewusst entgegen
und setzen wir dem unsere Solidarität im Kampf für eine gerechte
Gesellschaft entgegen. In diesem Sinne: Weg mit Hartz IV und Agenda 2010!
Alle gemeinsam gegen Sozial- und Bildungsabbau! Her mit dem schönen
Leben!