Julia Bonk in Kiel
Am 15. Dezember veranstaltete die PDS Schleswig-Holstein eine Diskussionsrunde zu der Frage, wie man mit der NPD und ihrer neuen Strategie der Teilnahme an Landtagswahlen umgehen sollte. Dazu war neben Julia Bonk Alexander Hoffmann eingeladen, der als Mitarbeiter der antifaschistischen Zeitschrift Enough is enough ein Kenner der Faschoszene in Schleswig-Holstein ist.
Julia Bonk ist parteiloses Mitglied des sächsischen Landtages und auf der Liste der PDS gewählt worden. Mit ihren 18 Jahren ist sie Deutschlands jüngste Abgeordnete und hat sich einen Namen gemacht, weil sie bei der konstituierenden Sitzung des sächsischen Landtages, von ihrer Fraktion ins Präsidium entsandt, ein T-Shirt trug mit der Aufschrift „Schöner leben ohne Nazis“.
Nach einigen einleitenden Worten von Harald Koch, der als Landesvorsitzender
der PDS die anschließende Diskussion leitete, begann Julia Bonk mit
einem Überblick über die Fraktion der NPD und die Probleme, die
beim Umgang mit den Faschisten im Landtag entstehen. Die NPD Fraktion besteht
aus elf Männern und einer Frau, die fast alle aus Sachsen stammen
und in ihrer jeweiligen Region fest verankert und bekannt sind. Sie üben
alle einen „normalen“ Beruf aus, wie Arzt oder Lehrer, entstammen also
dem ganz normalen sächsischen Alltagsleben. Nur der Fraktionsvorsitzende
Holger Apfel kommt nicht aus Sachsen. Schon die Zusammensetzung der Fraktion
zeigt, dass die NPD, anders als die früheren Versuche faschistischer
Parteien, einen biederen Eindruck machen will. Auch ihr Auftreten in den
Debatten des Landtages unterstreicht dieses Auftreten. In den Redebeiträgen
und Anträgen finden sich wenig radikale Äußerungen. Nur
wenn die Diskussion in vollem Gange ist, zeigen Entgleisungen der Abgeordneten
deren wahre Gesinnung. Außerdem arbeitet die NPD im Landtag mit Hochdruck.
Sie hat sich innerhalb kürzester Zeit in die Geschäftsordnung
eingearbeitet, schreibt seitdem laufend eigene Anträge und nimmt entsprechend
nicht passiv sondern aktiv an der Politik teil. Ein weiterer Aspekt dieser
aktiven Arbeit ist ihr Auftreten auf ganz normalen Diskussionsveranstaltungen
und vor allem ihre verstärkte Jugendarbeit.
Sie versucht bereits jetzt in Schulen und Jugendtreffs Kinder und Jugendliche
zu erreichen, um diese an sich zu binden.
Julia schilderte auch die Probleme, die sie persönlich aber auch der Rest ihrer Fraktion im Umgang mit der NPD hat. Im außerparlamentarischen Leben habe man kein Problem damit, den Faschos aus dem Weg zu gehen und nicht mit ihnen zu reden. Im sächsischen Landtag haben sie aber eine demokratische Legitimation durch 9,2 Prozent der abgegeben Stimmen. Sie sind damit die vierte Kraft nach CDU, PDS und SPD, bzw. die zweitstärkste Oppositionspartei nach der PDS. Deshalb helfe es nicht sie auszugrenzen, weil sie dadurch ihre Rolle als Märtyrer und „Verteidiger der Entrechteten“ weiter und erfolgreicher spielen könnte. Mit jedem Recht, das der NPD zustünde, ihr aber verwehrt würde, könnte sie sich als Partei der Unterdrückten aufspielen. Eine Isolationstaktik, wie man sie ganz selbstverständlich fordern würde, scheitere aber nicht nur aus diesem Grund, sondern auch weil die demokratischen Kräfte sich nicht einig seien. Die CDU fährt weiterhin die aus dem Wahlkampf bereits bekannte Masche des „Rechts- aber auch Linksextremismus“. D.h. in jeder Debatte, die über die NPD geführt wird, heißt es, dass im Lande gleichermaßen gegen Rechts- (NPD) wie auch Linksextremismus (PDS) gekämpft werden müsse. Auf diese Weise wird von der immer noch stärksten Fraktion eine Zusammenarbeit aller demokratischen Parteien im Landtag gegen die NPD verhindert. Dazu kommen die bekannten „Probleme“ bei der Abstimmung: Die NPD bekam für ihren Kandidaten bei internen Wahlen bereits zweimal zwei Stimmen mehr als sie Abgeordnete hat. Zur Frage, wer das gewesen sein könnte, erzählte Julia Folgendes: Bei einer dieser Abstimmungen hatten sich die Fraktionen der PDS und der Grünen auf Enthaltung geeinigt, was aus verschiedenen Gründen als Protest gegen das Wahlverfahren gedacht war. Sie einigten sich darauf, mit einem bestimmten vereinbarten Zeichen die Stimme ungültig zu machen. Damit waren sämtliche Stimmen dieser beiden Fraktionen über jeden Verdacht erhaben. Die SPD scheide aus, weil sie an Projekten gegen Faschismus, Fremdenfeindlichkeit und für Toleranz intensiv mitarbeite. Auch der FDP Fraktion sei so etwas nicht zuzutrauen. Die CDU in Sachsen sei allerdings seit der Wahl tief zerstritten und sogar gegen Milbradt eingestellt, einige Minister seien unzufrieden, dass sie ihre Posten verloren haben etc. Daher sei es wahrscheinlich, dass die „Überläufer“ aus den Reihen der CDU kämen.
Dieses Stimmverhalten ist natürlich eine enorme Unterstützung der NPD, die nun immer wieder davon spricht, sie wolle eine „friedliche Revolution“ in Sachsen erzeugen und die offensichtliche Sympathie einiger Abgeordneter im Landtag zeige, dass sie mit ihren Forderungen nicht falsch läge.
Nach Julias Ausführungen konnte Alexander Hoffmann die Taktik des
„Biedermann Images“ für die NPD in Schleswig-Holstein nur bestätigen.
Er übernahm den Part, die Geschichte und Entwicklung der NPD in Schleswig-Holstein
darzustellen. Auf diese Weise wurden die Erfahrungen aus Sachsen mit Schleswig-Holstein
und der kommenden Landtagswahl am 20. Februar 2005 verbunden. Laut Alexander
Hoffmann hat die NPD in Schleswig-Holstein nie eine große Rolle gespielt,
daher verbünde sie sich mit den Freien Nationalisten, die bereits
in Lübeck zur Kommunalwahl ihr Unwesen trieben. Sie habe dabei Unterstützung
sowohl der DVU als auch der Republikaner im Lande, was sich auch auf der
Liste zur Landtagswahl zeige. Dort finden sich neben einigen bekannten
Gesichtern der NPD eben gerade auch die ehemaligen Strippenzieher anderer
faschistischer Parteien. Bei der Auswahl der Kandidaten wurde wie auch
in Sachsen sorgfältig darauf geachtet, dass diese möglichst wenig
Angriffsfläche wegen rechtsextremer Verbrechen böten und ein
biederes Auftreten ermöglichten. Zur Landtagswahl in Schleswig-Holstein
mobilisiere die NPD bekanntlich bundesweit und will z.B. 25.000 Plakate
aufhängen aber diese auch bewachen lassen. Außerdem seien zwei
Postwurfsendungen geplant. Beim NPD Wahlkampf nicht zu vergessen sei die
geplante Demonstration in Kiel am 29. Januar 2005, für die im Internet
unter dem Motto „Gegen Multikulti und Hart IV“ geworben werde. Ein Vernetzungstreffen
der AntiFa im Lande habe bereits stattgefunden und werde sich zwischen
den Feiertagen gerade mit diesem Thema gesondert befassen. Die NPD werde
also nach eigener Aussage den Kampf um die Straße „auf allen Ebenen
und mit allen Mitteln führen“.
Nach diesem zweiten Referat begann eine lebhafte Diskussion über
den Umgang mit Faschisten. Ohne die einzelnen Aussagen vereinfachen zu
wollen, kann wohl gesagt werden, dass alle der Meinung waren, dass sich
eine ernsthafte Diskussion mit Faschisten aus vielen Gründen verbietet,
u.a. weil dies immer ein Aufeinanderzugehen auf partnerschaftlicher Basis
bedeuten würde. Das Auftreten von Nazis kann nirgends geduldet werden.
Das Problem, das sich in Sachsen stellt, weil die NPD nun eine demokratische
Legitimation und entsprechende Stärke hat, wurde akzeptiert, ebenso
dass Julia ehrlich zugeben musste, dass es bisher noch keine Lösung
für den Umgang mit den Faschisten gibt. Für Schleswig-Holstein
und andere Regionen gelte dieses Problem jedoch nicht und daher müsse
weiterhin gegen die Nazis angekämpft werden, weil Faschismus eben
keine Meinung sondern ein Verbrechen sei. Dass das Problem des Faschismus
jedoch nicht allein an den Faschisten liegt, wurde ebenfalls klar. Nicht
sie waren es, die in den Neunzigern die Asyldebatte gestartet und der Fremdenfeindlichkeit
Auftrieb gegeben haben. Auch haben nicht sie den Sozialabbau gestartet
und begonnen mit den neuen Regelungen in der Zuwanderung eine Differenzierung
zwischen Deutschen und Nichtdeutschen festzuschreiben. Die Basis für
das Erstarken des Faschismus in Deutschland liege eben an der unsozialen
Politik der großen etablierten Parteien und der entsolidarisierten
Gesellschaft. Durch mehr Solidarität und Beteiligung an den politischen
Entscheidungen und vor allem durch allgemeines Wahlrecht für alle
Menschen unabhängig von der Staatsangehörigkeit könnte man
das Problem in den Griff bekommen. Da sich diese Trendwende in der Politik
der etablierten Parteien nicht abzeichne, müsse der Kampf gegen die
Nazis in der Gesellschaft geführt werden.
Und dieser Kampf muss nach einiger Zeit erst einmal wieder verstärkt werden. Daher an dieser Stelle der Aufruf an alle AntifaschistInnen sich den Termin für die Nazidemo am 29. Januar freizuhalten für die Gegendemos. Die weiteren antifaschistischen Aktionen werden sicher an dieser Stelle dokumentiert werden.
(h, PDS)